Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition)
wollten, nie viel anfangen. Hab denen nie vertraut. In meinem ganzen Leben bin ich so gut wie nie einer Autoritätsperson über den Weg gelaufen, die wirklich die Macht, mit der man sie ausgestattet hatte, verdiente. Meine Lehrer und Schulleiter hatten sich im Großen und Ganzen kaum meiner Verachtung würdig erwiesen, von meinem Respekt mal ganz zu schweigen. Herr Walters, der Rektor meiner Schule in der Mittelstufe, unterzog mich einmal derartig intensiver psychischer Folter, dass ich ihm beinahe den gesamten Boden vollgekotzt hätte – und rückblickend wünschte ich, ich hätt’s! – und dann ließ er durchblicken, dass er keinerlei Ahnung hatte, wer ich war oder warum man mich in sein Büro geschickt hatte. Nach so ’ner Erfahrung ist’s schwierig, keine Verachtung zu fühlen. Die Handvoll Personen in Autoritätspositionen, die ich dennoch respektierte, spielten sich niemals als Autoritätsfiguren auf.
Und was Autoritätsfiguren anging, so waren religiöse Autoritätsfiguren definitiv die schlimmsten – und hier stand ich nun kurz davor, selbst eine zu werden. Ich war, um’s mal milde auszudrücken, im Zwiespalt.
Natürlich ist Rebellion gegen Autorität, wie dir jeder Pop-Psychologe erzählen wird, bloß eine unreife und gestörte psychische Reaktion auf die Traumen der Kindheit, als
Der Große Böse Erwachsene
uns vorschrieb, dass bestimmte Dinge, die wir tun wollten, verboten seien. Und zu lernen, nicht alles, was wir tun wollen, immer auch zu tun, ist Teil des normalen Sozialisierungs-prozesses. Jedes Kind rebelliert zu einem gewissen Grad dagegen, doch schließlich akzeptiert eine reife Person ein bestimmtes Maß an Autorität.
Unglücklicherweise passiert es den meisten Leuten, dass sie Autorität nicht einfach nur
akzeptieren
, sondern an sie
glauben
. Tief in uns eingegraben haben wir einen unausgesprochen, uneingestandenen Glauben, dass es einige Leute gäbe, die irgendwie besser als andere seien, verdienstvoller als wir selbst – dass Autoritäten irgendwie der Autorität, die sie ausüben,
würdig
seien.
Wir glauben zwar nicht mehr an Könige von Gottes Gnaden, doch an unsere Prominenten glauben wir immer noch auf sehr vergleichbare Weise. Rein vom Verstand her wissen wir zwar, dass sie genau wie wir sind. Doch auf ’ner tieferen psychischen Ebene sehen wir sie irgendwie als
besondere
Wesen an, die mit einer Art außergewöhnlicher Fähigkeiten ausgestattet sind, die so niedere Geschöpfe wie unsereins nicht besitzen.
Warum nahmen so viele Leute Notiz davon, als John Lennon 1966 behauptete, die Beatles seien größer als Jesus? Weil er ’ne Berühmtheit war. In unseren Augen war er was Besonderes, weil er gute Songs schrieb, und so wurde er zu ’ner Autorität. So was passiert ständig.
Ich persönlich war schockiert darüber, eben diesen Glauben auch in meinem psychischen Aufbau zu entdecken, trotz der Tatsache, dass ich einen großen Teil meines Lebens damit verbracht hatte, sarkastische Spottliedchen über dumme Menschen zu verfassen, die ihren dummen Führern vertrauten, ihren dummen Gott anbeteten und dümmlich ihre dummen Popstars verehrten.
Es kam mir nie in den Sinn, meinen unausgesprochenen Glauben mal einer näheren Betrachtung zu unterziehen, dass
meine
Helden – John Lennon, Syd Barrett und Robyn Hitchcock – offenkundig verehrungs
würdig waren
und daher mein unumstrittener Glaube an sie völlig angemessen war. Ich glaubte außerdem an Eiji Tsuburaya, den Special-Effects-Mann hinter der Godzilla-Serie, und anschließend an seinen Sohn, Noboru, der mein Boss wurde, als ich bei Tsuburaya zu arbeiten anfing. Diese Männer waren unverkennbar etwas, das sich von der gewöhnlichen Menschheit abhob. Sie waren Autoritäten.
Noboru Tsuburayas Krebstod im Jahre 1995 machte mir sehr klar und deutlich die Tatsache bewusst, dass ich immer noch an Autorität glaubte. Ich war ehrlich bestürzt. Ich hatte zwischen ihm und mir eine imaginäre Barriere errichtet, die mich sogar davon abhielt, ihn zu fragen, ob ich ihn an seinem Krankenbett besuchen dürfe. Wie könnte ein Niemand wie ich sich anmaßen, sich im Krankenzimmer eines so großen Mannes aufzuhalten? Ich erfand alle möglichen Ausreden – bis schließlich die Zeit ablief und er gegangen war. Mich nicht von ihm verabschiedet zu haben, ist eine der Sachen, die ich am meisten bedaure.
Doch mein Glaube an Autorität ging sogar noch tiefer, als ich angenommen hatte. Sogar, nachdem ich das über Bord geworfen hatte, was ich für
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