Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition)
dass ich irgendeine Ahnung davon hätte, wie die Welt in deinen Augen aussieht.
In Momenten des Gleichgewichts und der Klarheit können wir sehen, dass das, was wir „Ich“ nennen, uns überhaupt nicht gehört. Es ist Besitz des Universums. Es
ist
das Universum. Subjekt und Objekt sind das Gleiche. Nishijima sagt: „Meine Persönlichkeit erstreckt sich durch das ganze Universum.“ Dieses Etwas, dieses Ding, das wir manchmal „Ich“ und manchmal „alle und alles“ nennen, ist dasselbe wie der gegenwärtige Moment. Wir denken, wir hätten unseren eigenen Geist. Haben wir aber nicht. Wir nehmen Teil an einem Geist, der die gesamte Schöpfung umfasst. Der gegenwärtige Moment ist ewig. Er ist immer da. Er ist ungeboren und kann nicht sterben. Und er wird nicht wiedergeboren.
Er hat auch keinen Glauben oder eine Meinung für oder gegen irgendetwas.
Du ziehst die
Pogues
den
Backstreet Boys
vor, doch das Universum tut das nicht. Natürlich
sollte
es das, doch es beinhaltet und umfasst beide gleichermaßen. Und doch sind du und das Universum ein und dasselbe.
Wenn wir hinter dem alten Bahnhof in Kent, Ohio, sitzen, dem Cuyahoga-Fluss beim Fließen zusehen und dabei den Lärm der Jungs aus den Burschenschaften ignorieren, die die Kunststudenten auf der Water Street belästigen, sehen wir auf der Oberfläche des Flusses eine Menge Blasen. Sie werden ein Weilchen auf dem Fluss mitgetragen und platzen dann. Die Blasen sind bloß Luft und Wasser. Das Wasser kehrt zurück zum Fluss und die Luft in die Atmosphäre. Doch die eine Blase, die wir uns angeschaut haben, wird niemals wieder erscheinen.
Wenn wir uns bei Spencers Geschenkladen eine frivol geformte Kerze kaufen, sie anzünden und die Flamme benutzen, um eine noch neckischere Kerze anzuzünden, während wir gleichzeitig die erste Kerze auspusten, ist die Flamme auf der zweiten Kerze dann die gleiche Flamme wie die auf der ersten oder völlig verschieden? Wo ist die erste Flamme? Wo war der Sound von Tommy Ramones erstem Rimshot aus
Teenage Lobotomy
, bevor du ihn gehört hast? Und wo ist er hingegangen, nachdem du ihn gehört hast?
Doch zu behaupten, dass wir zum großen Fluss des Seins zurückkehren, wenn wir sterben, trifft immer noch nicht das Wesentliche. Der Begriff des
Zurückkehrens
setzt voraus, dass wir vom großen Fluss des Seins oder von Gott oder was auch immer getrennt sind. Doch das sind wir nicht. Die Blase war immer ein Teil des Flusses, auch als sie als Blase erschien. Wir kehren nicht zu Gott zurück, da wir Gott gar nicht erst verlassen haben.
Aber klammer’ dich nicht allzu sehr an Erklärungen. Erklärungen sind niemals vollkommen.
Wenn wir sterben, sterben wir. Wir erscheinen nie wieder. Tot, tot, tot. Futsch, aus und vorbei.
Doch in Wahrheit sterben wir die ganze Zeit über. In jedem Moment eines Tages sterben wir. Wo ist die Person, die schleimig, purpurrot und wie am Spieß schreiend aus dem Leib deiner Mutter flutschte? Bist du jene Person? Du kannst dich an jenen Tag nicht erinnern. Es ist ein Tag, der seit langer, langer Zeit vorbei ist. Wo ist die Person, die deine Jungfräulichkeit verloren hat? * Wo ist die Person, die gestern Morgen übernächtigt und triefäugig aufgewacht ist? Wo ist die Person, die den Platz in deinem Sarg einnehmen wird?
Unser Verständnis von Zeit ist schlichtweg falsch – und dieses Missverständnis führt uns dazu zu glauben, dass wir reinkarnieren
könnten
, dass wir, nachdem wir gestorben sind, noch einmal leben
könnten
, dass wir in Himmel, Hölle oder Fegefeuer landen
könnten
. Dieses Missverständnis führt dazu, dass wir glauben, es sei sogar möglich, dass wir eine Seele hätten. Doch jede dieser Ideen ist, letztendlich, bescheuert. Sie machen überhaupt keinen Sinn mehr, sobald wir verstehen, was Zeit wirklich ist.
Der Moment, in dem du geboren wurdest, warst du. Der Moment, in dem du stirbst, wirst du sein. Dieser Moment gerade jetzt bist du. Es gibt keinen Unterschied zwischen diesem Moment und dir selbst. Du durchlebst in jeder Sekunde eine Million Du/Momente. Sein und Zeit sind nicht zweierlei Dinge. Dogen benutzt, genau wie unser Freund Brundlefly, ein Verbundwort, um das auszudrücken. Dogen schreibt über „Sein/Zeit“. In Dogens Worten: „Sein/Zeit bist Du und Sein/Zeit bin ich.“
Momente von dir rasen so schnell vorbei, dass du gar keine Möglichkeit hast, sie wahrzunehmen, gerade so, wie Filme die Illusion von Bewegung dadurch erzeugen, dass sie dir in rascher Folge eine
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