Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition)
den letzten Überrest meines Glaubens an Autorität hielt, hatte ich doch noch eine Kategorie von Autoritätsfiguren übrig gelassen: Zen-Meister. Zen-Meister standen immer über den Dingen, die ich an anderen Autoritätsfiguren hasste. Tim und Nishijima hatten sich ohne Zweifel als wahren Respekts würdig erwiesen. Die alten Zen-Meister, über die ich in Büchern gelesen hatte, waren mythische Figuren, die den Rest der Mensch-heit überragten. Kurz gesagt, sie waren Autoritäten.
Mein Glaube an Nishijimas Autorität hielt mich viele Jahre lang davon ab, offen mit ihm sprechen zu können. Ich wunderte mich immer, warum er während unserer Gespräche so oft still wurde. Mir brach jedes Mal der kalte Schweiß aus, wenn das passierte, und ich versuchte verzweifelt, mit etwas Cleverem und Einsichtsvollem daherzukommen, das ihn vielleicht beeindrucken würde. Doch wenn ich dann so eine kleine Weisheit hochwürgte, legte er nur den Kopf zur Seite und schaute mich fragend an. Und so endete es immer damit, dass ich ein nervöses „Auf Wiedersehn“ stammelte und aus dem Raum eilte, wobei ich mir wie ein echter Depp vorkam. Ich brauchte viel länger als eigentlich nötig dafür zu begreifen, dass er nur darauf wartete, dass ich aufrichtig, von Mensch zu Mensch, mit ihm reden würde. Als ich das schließlich tat, waren die Unterhaltungen mit ihm völlig natürlich.
UND NUN BOT ER MIR PLÖTZLICH AN ,
mich
zum „Zen-Meister“ zu machen. Eigentlich bot er’s mir ja nicht mal wirklich an, sondern behauptete, dass ich bereits ein „Zen-Meister“ sei und dass er lediglich eine formelle Zeremonie durchführen wollte, die diese Tatsache bestätigen würde. Um die ganze Angelegenheit noch schlimmer zu machen, wollte Nishijima mir nicht nur die Dharma-Übertragung geben, er wollte außerdem von mir, dass ich mich zuvor einer Zeremonie unterzöge, die „das Empfangen“ der buddhistischen Gebote genannt wird.
Die Zeremonie des Empfangens der buddhistischen Gebote kommt im japanischen Zen-Buddhismus etwa dem gleich, was in den meisten Religionen „ordiniert werden“ genannt wird. Nishijima wollte, dass ich –
ich?!
– ein ordinierter Geistlicher in einer bedeutenden Weltreligion würde?
Erzähl’ mir doch keinen Blödsinn!
26 Im Original: I’m a cop. You will respect my authority.
KEIN SEX MIT MELONEN
Lass’ dich durch deinen Sinn für Moral
niemals davon abhalten, das Richtige zu tun. 27
Isaac Asimov
OBWOHL DAS EMPFANGEN DER GEBOTE im japanischen Zen praktisch der Ordination entspricht, sind die Gebote als solche allen buddhistischen Gruppen gemeinsam, und sie zu empfangen läuft im Wesentlichen darauf hinaus, sich darauf festzulegen, ein anständiges Leben zu führen.
Doch egal, wie hierbei Stil und Kleiderordnung aussehen mögen, der Kern der Zeremonie bleibt der gleiche: Der Schüler erklärt sich damit einverstanden, das zu befolgen, was als die zehn grundlegenden Gebote bekannt ist. Diese sind:
1. nicht zu töten
2. nicht zu stehlen
3. Sexualität nicht missbräuchlich zu verwenden (oder „nicht zu stark zu begehren“, wie Nishijima das gerne ausdrückt)
4. nicht zu lügen
5. den Geist nicht mit Rauschmitteln zu vernebeln
6. andere nicht zu kritisieren
7. weder stolz auf sich selbst zu sein noch andere zu verunglimpfen
8. nicht zu begehren
9. nicht der Wut zu verfallen
10. die drei Schätze nicht zu verunglimpfen.
Nummer zehn liegt nicht ganz so auf der Hand wie die anderen. Mach dir nichts draus. Hab einfach ein wenig Geduld mit mir.
ES GIBT IM BUDDHISMUS KEINE „SÜNDE“; wenn du also eines dieser zehn Gebote brichst, wird das im Gegensatz zu einem Bruch von einem der zehn biblischen Gebote nicht als sündig angesehen. Tatsächlich verhält es sich so, dass es Situationen geben kann, in denen es angemessen ist, eines dieser Gebote zu brechen, und es buchstäblich „falsch“ wäre, es einzuhalten.
Statt ein Regelwerk darzustellen, das befolgt werden muss, um den Zorn Gottes fernzuhalten, sind die zehn Gebote ein Satz allgemeiner Richtlinien, der zehn Handlungsweisen beschreibt, die der Bildung guter Beziehungen zwischen und innerhalb menschlicher Wesen so gut wie immer abträglich sind. Sich mit einer dieser Handlungen zu befassen, stellt ziemlich sicher, dass daraus ein bestimmter Grad dessen resultieren wird, was gemeinhin als „schlechtes Karma“ bezeichnet wird. „Schlechtes Karma“ ist übrigens eine furchtbare Redewendung. Das Wort
karma
bedeutet einfach nur „Handlung“. Doch da wir
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