Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition)
eine vernünftige mathematische oder wissenschaftliche Lösung geben könne,
die wir einfach noch nicht ganz herausgefunden haben
, erschien schon recht verlockend. Aber als ich mich etwas näher damit beschäftigte, wurde deutlich, dass es die wissenschaftlichen Antworten auch niemals wirklich bringen würden, denn das Beste, was Wissenschaft jemals hoffen kann zu tun, ist die Wirklichkeit in irgendeiner Weise zu
repräsentieren
. Aber das reicht nicht. Wahrheit muss größer sein als Theorien, größer als Erklärungen, größer als Symbole. Die Wahrheit kann nicht einfach alles
erklären
. Sie muss alles
einschließen
. Sie muss alles
sein
.
Das erste Mal, dass ich meine eigenwillige Philosophie zurückließ und mich mit etwas beschäftigte, das mit einer spezifischen Weltreligion zu tun hatte, war, als ich in Afrika lebte. 1972, als ich acht Jahre alt war, nahm mein Vater eine Versetzung vom Firestone-Reifen-Hauptquartier in Akron zu deren neuer Fabrik in Nairobi in Kenia an, wo wir bis 1975 blieben. In der vierten Klasse sah ich den Film
Jesus Christ Superstar
in einem Autokino in Nairobi, und direkt danach sah ich die nairobische Produktion des Films
Godspell
. Da war ich grade elf, und Mann, war dieser Jesus-Typ
cool
! Ich versammelte all meine Freunde und wir machten unsere eigene Version von
Jesus Christ Superstar
, die wir
Die Mod-Bibel
nannten. Ich, als Autor und Regisseur, spielte selbstverständlich Jesus. Mein bester Freund Tommy Kashangaki spielte Petrus und sein Bruder James spielte Judas Iskariot. Mein Dad filmte das alles auf Super-8 – das ist Super-8-
Film
, Kids, das war
lange
vor Heimvideo.
Ich zucke immer noch zusammen, wenn er dieses Relikt rauskramt, um irgendwem zu zeigen, wie ich so tue, als ob ich an ein Holzkreuz genagelt werden würde, während meine Schwester als Maria Magdalena fröhlich zur Kreuzigung hopst. An einer Stelle kommen ein paar afrikanische Frauen während meiner Todesszene vorbei, als ich gerade dramatisch „den Geist aufgebe“. Gott weiß, was die sich gedacht haben, als sie sahen, wie ein kleiner weißer Junge so tat, als werde er an ein Stück Holz genagelt und sterbe dabei theatralisch.
Doch selbst damals, als ich meine eigene Kreuzigung vortäuschte, glaubte ich nicht wirklich an Religion. Es ist überall das Gleiche – wir tun nur so als ob, aber es bedeutet überhaupt nichts, weil unser Glaube nicht an die Wurzel der Wirklichkeit reicht. Wir nehmen unseren Glauben (und unseren
Nicht
glauben übrigens genauso) als gegeben hin, aber nur äußerst selten werfen wir mal einen gründlichen Blick darauf, was Glauben eigentlich wirklich ist.
Im College kam ich mal an ’nem Stand vorbei, der von so ’ner Art christlicher Gruppe im Studentenzentrum betrieben wurde. Die hatten ein großes Poster, das das damalige Filmposter zu
Indiana Jones und der Tempel des Todes
parodierte (mal ganz nebenbei bemerkt: Mann, war
das
ein grottenschlechter Film!). In riesigen gelben Lettern im Stile des Filmlogos stand dort:
BEREUE und wende Dich zu Gott
. Der Typ vom Stand bemerkte, wie ich mir das Poster anschaute, und fragte mich nach meinem Glauben und meiner Beziehung zu Gott. Ich sollte vielleicht anmerken, dass ich in jenen Tagen so sehr Punk war, dass ich sogar gegen Punk selbst rebellierte, indem ich nicht wie ein Punk aussah und stattdessen den verwegenen Look eines überzeugten Kiffers zur Schau stellte. Ich hatte langes blondes Haar und trug ausschließlich aus der Mode geratene Schlaghosen und zerfetzte schwarze T-Shirts. Der Typ vom Stand war wie geleckt, mit sauber geschnittenen Haaren und ’nem netten Konservativen-Anzug mit der obligatorischen blauen Krawatte. Ich muss für ihn wie ’n echtes Geschenk ausgesehen haben. Ich bin mir sicher, der dachte, wenn er einen so offensichtlichen Heiden wie mich bekehren könne, bekäme er dafür von Gott auf jeden Fall ein Fleißkärtchen.
Aber ich wollte ehrlich etwas über diese ganze Glaubenssache wissen und deshalb bat ich den Typen, es mir zu erklären. Der Kern der Erklärung lief etwa auf Folgendes hinaus: „Wenn eine Person glauben würde, dass Jesus all die wunderbaren Dinge, die er angeblich getan haben soll, wirklich buchstäblich so vollbracht habe, hätte diese Person Angst vor der Macht Jesu und würde daher zum Christentum übertreten. Desweiteren würden viele Leute, welche die von Jesus vollbrachten Wunder mit ihren eigenen Augen bezeugten, lieber den Tod wählen, als zu leugnen, was sie gesehen hatten.
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