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brackiger Tide hinunterhangelte, die über den Osten von Maine kroch. Er hatte ihr den Hut geschenkt. Sie hatten davon gesprochen, in Kontakt zu bleiben, aber er glaubt, daß es ein neuerlicher Zufall sein wird, wenn sie sich noch einmal begegnen. Er verbringt nicht viel Zeit in Virginia, und sie hat erst nächstes Jahr wieder Anspruch auf Urlaub. Es ist sinnlos, so weit vorauszuplanen. Die Greifer könnten ihn inzwischen schnappen, oder die See könnte ihre nassen Finger nach ihr ausstrecken. Am besten, man zog einen sauberen Schlußstrich.
Als er sich umdreht, ist Sarah wach und rollt das Netz über ihrer Koje herunter. Im Halbschlaf wirkt sie weit weniger hart.
"Willst du was essen?"
Sie nickt und fährt sich mit den Fingern durch die Haare.
Er öffnet einen verschließbaren Kasten und holt ein paar Sandwiches aus dem Kühlschrank. "Was möchtest du trinken? Kaffee? Orangensaft? Eistee?"
"Eistee." Sie schwingt die Beine aus der Koje, nimmt den kühlen Plastikbehälter entgegen und zieht den Deckel ab. "Gracias."
Cowboy lehnt sich gegen die Leiter und klappt ein Sandwich auf. Durch die offene Luke hört er Vögel singen. "Bist du mit Spanisch aufgewachsen?"
"Mit Spanglisch jedenfalls. Mein Vater war halb Kubaner, halb Zigeuner. Meine Mutter war eine Anglo." Jetzt, wo sie wach ist, scheint ihre coolere Persönlichkeit die Macht zu übernehmen, bemerkt Cowboy. Der Blick in ihren Augen geht irgendwohin in die Ferne; er hat nichts Verträumtes, sondern zeugt anscheinend von konzentriertem Nachdenken. Die Worte "Vater" und "Mutter" scheinen irgendwie negativ beladen zu sein, als wären sie jedes emotionalen Gehalts beraubt. "Hast du sie im Krieg verloren?" rät Cowboy. Sie wirft ihm einen raschen Blick zu, als ob sie ihn irgendwie abschätzen würde. "Ja." Die Antwort kommt zu schnell, und Cowboy glaubt es nicht so ganz, kann sich aber auch nicht vorstellen, warum sie sich die Mühe machen sollte, zu lügen. Sarah beißt in ein Sandwich und sieht ihn überrascht an. "Das ist ja echter Schinken", sagt sie. "Kein Soja oder sowas."
Cowboy verspeist Hühnersalat. "Pony-Express-Fahrer essen nur das Beste."
Er verbirgt seine Belustigung, als Sarah gierig noch zwei Sandwiches verschlingt. Düsenmotoren und knatternde Propeller dopplern auf dem Freeway vorbei. Zum Nachtisch gibt es Aprikosen. Cowboy schaut auf seine Uhr. Ihre Eskorte kommt ein paar Minuten zu spät.
"Was dagegen, wenn ich mal einen Blick aus der Luke werfe?" fragt Sarah. "Diesen Teil der Welt hab' ich noch nie gesehen."
"Sieht ganz nett aus, der Teil hier. Ist 'n kultiviertes Land."
Sie schnallt die Maschinenpistole um. Cowboy beobachtet sie.
"Bist du dafür aufgerüstet?" fragt er.
"Aufgerüstet und eingeschossen." Ihr Blick ist wieder herausfordernd, als ob er ihre Kompetenz in Zweifel gezogen hätte.
"Das wird nützlich sein", sagt er und tut so, als wäre er froh, zu wissen, daß er so gut beschützt wird. "Hast du die ganze Santistevan oder eine Owari?"
Sie sieht ihn rasch an und setzt dann die Sonnenbrille auf. Ein Panzer für die Gefühle, denkt er, wie die Jacke, der Gang, die ganze Haltung. "Owari", sagt sie. Das bedeutet, die Aufrüstung muß von außen aktiviert werden, bevor sie effektiv arbeitet; normalerweise geschieht das mit einer inhalierten Chemikalie, die man auf der Straße >Treibsatz< nennt. Seine eigentliche, wesentlich teurere Aufrüstung wird durch einen Befehl aus seinem Kristall aktiviert.
Sarah zwängt sich im Durchgang an ihm vorbei, steigt die kurze Leiter hinauf und stützt die Arme auf den Rand der Luke. Durch den Hitzeglast der abkühlenden Triebwerke betrachtet sie die grünen Hügel, den dichtstehenden Mais auf der anderen Straßenseite und ein gedrungenes weißes Farmhaus, das wie auf einer Postkarte aussieht.
"Ich hab' die Santistevan", sagt Cowboy. Seine Stimme dringt gedämpft durch die Luke herauf.
"Wozu brauchst du die? Du fährst doch mit dem Interface."
"Ich hab' früher Deltas geflogen. Wir brauchten Arme, Beine, Finger, Kristall, Augen, alles."
Sarah ist nicht klar gewesen, daß Cowboy so ein Veteran ist. Er muß gut sein, wenn er so lange überlebt hat. Sie denkt an Maurice, den westindischen Kutterjock mit seinen altmodischen Metallaugen und den militärischen Buchsen an Handgelenken und Knöcheln, an seine Bilder von toten Kameraden an der Wand. Er lebt in einer Vergangenheit, die leuchtender war als seine ganzen Zukunftsperspektiven zusammen. Sie fragt
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