Hardware
Anstrengung erforderlich ist, um glaubhaft zu machen, daß man unverbrüchlich fest zueinandersteht? Vielleicht ist es bei Russen einfach so üblich. Sie weiß es nicht.
Die Hydraulik der Ladeluke des Panzers zischt, als sich die Klappe schließt. Der Steckerkopf starrt auf die See hinaus und sieht zu, wie Amerika Stück für Stück im Golfstrom versinkt. Sarah macht ein paar Schritte nach vorn.
"Ich bin Sarah", sagt sie.
Pupillen wie Nadelspitzen wenden sich ihr zu. "Das verdammt platteste Land, was ich je gesehen hab'." Sonnenlicht glänzt auf dem Silber, das seine Kopfbuchsen schmückt. Er macht ein finsteres Gesicht.
"Geht's los?"
"Wird wohl Zeit", sagt er. "Ich bin Cowboy."
"Ich weiß."
Cowboy betrachtet sie ohne übermäßige Sympathie. Dieses Gossenmädchen ist nur ein paar Zentimeter kleiner als er mit seinen einsneunzig, und sie stolziert mit einer Arroganz herum, die mehr Aufmerksamkeit als unbedingt nötig auf die Waffe lenkt, die sie trägt. Trotz der verspiegelten Sonnenbrille hat ihr Gesicht eine Klarheit, die ihm gefällt, eine zielbewußte Entschlossenheit wie ein altes, durch ständiges Wetzen auf die Hälfte geschrumpftes Rasiermesser, das jedoch immer noch scharf genug ist, um ein Edelweiß sauber zu durchtrennen; aber obwohl sie sich diese Narben wahrscheinlich ehrlich genug verdient hat, gefällt es ihm nicht, wie sie als Bestandteil einer Attitüde eingesetzt werden, als ob jeder Blick eine Herausforderung und jede Narbe eine trotzige Entgegnung darauf wäre. Aber das ist immer noch kein Grund, sie nicht zu mögen, also sagt er sich schließlich, daß alles in Ordnung ist, wenn _sie_ nicht den ganzen restlichen Tag ständig versucht, sich selbst etwas zu beweisen.
"Da geht's rauf", sagt er und klettert die schräge Front des Panzers hoch.
Er verzichtet darauf, sich umzudrehen und ihr die Hand zu reichen, als sie die kochend heiße Panzerplatte erklimmt, und für Sarah ist das ein Punkt zu Cowboys Gunsten. Die seidigen Finger der Klaustrophobie streifen ihre Nerven, als sie das Innere sieht, die zwischen den beiden Triebwerken, Chobham Seven-Panzerplatten, Hydraulik- und Treibstoffleitungen eingeklemmten Beifahrer- und Steuerplätze. Reihen von grünen und roten Lichtern funkeln wie ein fernes Weihnachtsfest. Es riecht nach abgestandener Luft, hydraulischer Flüssigkeit und Mann. Wie sich herausstellt, gibt es keinen Beifahrersitz, sondern nur eine schmale Liege mit Gurten, die den Beifahrer bei Manövern schützen sollen, in deren Verlauf hohe G-Werte auftreten.
In einem Futteral gleich bei der Luke steckt ein Karabiner, eines dieser Leichtmetalldinger nur aus Metall und Plastik, die aussehen, als hätten sie als Golfschläger angefangen. "Da drin ist ein Kopfgerät für dich", sagt Cowboy, "damit du den Funk oder was immer abhören kannst." Er zeigt auf eine Schranktür. "Chemische Toilette", erklärt er. "Nicht das Normale."
"Danke." Das Normale ist für sie ein alter Putzeimer in einer Marmorruine in St. Petersburg, aber das sagt sie nicht. Sie schnallt die Waffe ab und rollt sich in die Koje, legt die Heckler & Koch in eine entfernte Ecke und hebt das Netz an. Sie fragt sich, was Cowboy für die Zeit nach der Lieferung im Sinn hat, ob ihm vorschwebt, die Koje mit ihr zu teilen. Wenn er das plant, steht ihm eine Überraschung bevor.
Der Panzer ist eine Behausung, die nur ein Junkie lieben kann, findet sie. Ein heimeliger kybernetischer Mutterleib mit männlicher Duftmarke, sanft blinkenden Lichtern und den Steckern, die der Sucht Nahrung geben. Welche es bei Cowboy ist, will sie gar nicht wissen. Mitten ins Vorderhirn injizierter Porno, elektrische Orgasmen per Induktion, irre synthetische Räusche mit einer Sofortschaltung zur Seele, direkt ins Primärbedürfnis gestöpselte Machtphantasien in Technicolor. Sarah betrachtet das Kopfgerät mit plötzlichem Mißtrauen. Es könnte auf Cowboys Kanal eingestellt sein, und wenn das der Fall ist, dann hat sie kein Interesse. Cowboy zieht sich unbefangen aus und bringt die Elektroden an seinem Körper sowie einen Urinbehälter aus Gummi am Schenkel an. Sarah denkt an Daud, an sein empfindungsloses, zerfetztes Fleisch, das so wenig Menschliches an sich hat wie ein blutiger Fleischlappen von einem frisch geschlachteten Schwein. Sie versucht sich tiefer in ihre Nische zu drücken. Der Schmerz wählt genau diesen Moment, um über ihre Rippen zu kriechen. Sie schließt die Augen und legt den Kopf auf ein unbezogenes
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