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gewußt hätte, daß Sex zum Service gehört, hätte ich schon früher davon Gebrauch gemacht."
Ihr Gesicht erstarrt einen Moment lang zu Stein. Dann wird es weich. "Tut mir leid, Cowboy", sagt sie und sieht ihn an. "Es hat Spaß gemacht, aber ich kann keine Bindung an Leute eingehen, mit denen ich Geschäfte mache, und du weißt, warum."
"Glaub' schon." Cowboy trinkt noch einen Schluck und sieht die Reflexe des Laternenlichts tief in der Flasche wie einen Sonnenaufgang inmitten zerfetzter Wolken, und für einen Augenblick ruft er sich den Himmel ins Gedächtnis, die tiefe Schwärze und die stetig leuchtenden Sterne hinter ihm, als er die Delta pfeilschnell über die Linie und in die Dämmerung geflogen hat...
Sarah läßt sich wieder auf das Kissen sinken. Ihre Augen sind so schwarz wie das Cockpit einer Delta, und in ihnen glüht dasselbe subtile Licht. Sie wird wieder hart, denkt Cowboy, und sie hat Grund dazu: Sie kehrt an einen Ort zurück, wo sie keine Freunde hat, wo ihr niemand den Rücken deckt, nur sie selbst. Wo sie es sich nicht leisten kann, jemandem zu trauen, außer vielleicht diesem Daud in seinem Krankenbett...
Nicht anders als bei ihm. Er glaubt, daß er mehr Leuten vertrauen kann als Sarah, aber derjenige, dem er am meisten vertraut, erholt sich irgendwo von seinen Schußverletzungen.
In der Ferne fangen Coyoten mit ihrem unheimlichen Gebell an. Er spürt, wie Sarah sich neben ihm versteift und dann entspannt. Bei dem vertrauten Geräusch schraubt Cowboy die Whiskyflasche zu und lehnt sich zurück. Vor seinem geistigen Auge läuft die lange Reihe der Pläne ab, die er geschmiedet hat, während sie durch das Land marschiert sind.
Als erstes muß er sich einen fahrbaren Untersatz besorgen.
Cowboy jagt wieder im Interface dahin. Die Töne einer Steelguitar laufen wie ein Wintersturm sein Rückgrat hinauf und hinunter. Es ist nur ein mittlerer Packard mit einer Allrad-Option, aber dennoch ist es das Augen-Face, die Fahrt auf dem zerschlissenen Asphaltband unter einem offenen und azurblauen Himmel, und Cowboy liebt es von ganzem Herzen, überwacht die Drehzahl der Turbine, die Treibstoffleitungen und die Triebwerkstemperatur, als würde er die Rolls-Royce-Aggregate seines Panzers liebkosen.
Sarah sitzt auf dem Kübelsitz neben ihm. Sie sind unterwegs zum Bahnhof und dem Butte Bullet, der darauf wartet, Sarah mit 200 Meilen pro Stunde nach New Kansas City zu bringen. Von dort wird sie ein Flugzeug nach Havanna in die Besetzten Vereinigten Staaten nehmen.
Sie ist wieder gepanzert, trägt wieder ihre frisch gewaschene blaue Jacke und hat den Kragen hochgeschlagen. Die verspiegelte Sonnenbrille verbirgt ihre Augen. Vernarbt, sarkastisch, mit hartem Gesicht krümmt sie manchmal unbewußt die Hände, als ob sie jemandes Luftröhre umklammern würde. Cowboy beobachtet, wie die Erinnerungen des Straßenmädchens zurückkehren, die Reflexe, die sie in den letzten paar Wochen ganz allmählich abgelegt hat.
Zeit zum Überleben, denkt er. Seltsam, sich eine Tramptour quer durchs Land als Urlaub vorzustellen. Aber so war es, und jetzt beginnt wieder der Ernst des Lebens.
Der Bullet-Bahnhof ist unterirdisch, unter den Straßen der Stadt. Cowboy fährt den Packard in eine Tiefgarage und fühlt, wie das Echo der summenden Reifen in seinen Nerven widerhallt. Sein Geist rast mit Lichtgeschwindigkeit herum. Es ist das _Interface_, und es ist schon zu lange her.
Widerstrebend schaltet er die Turbine ab. Das wirbelnde Schwungrad tief im Innern des Wagens summt leise, als er aus dem Interface geht und Sarah ansieht. Sie ist bereits halb aus der offenen Tür. Cowboy folgt ihrem Beispiel.
Sie wartet, während er den Kofferraum aufmacht. Ihre Tasche, die sie gerade erst in Butte gekauft haben, ist schwer von Gold, aber nicht so schwer wie früher - mit der Heckler & Koch würde sie nicht durch die Detektoren kommen. Auf einem Stück Papier steht der Code, mit dem sich der Laderaum des Panzers öffnen läßt, so daß sich der Hetman seine Herzen zurückholen kann.
Cowboy hält ihr die Tasche hin, fühlt, wie ihre kalten Finger sie ergreifen, denkt an die vom Geruch der Espen gewürzte Luft hoch oben in den Bergen, an den rauhen Hauch des Wüstenwinds im Winter, die warme, quecksilbrige Berührung ihres Körpers, als sie miteinander im sexuellen Interface waren, an das helle Leuchten ihrer Haut in seinen Infrarotaugen und an den dunkel orangeroten Atem, der aus ihrem Mund geströmt
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