Harlekins Mond
von den Jüngeren, die mit Andrew herumhängen -Schwierigkeiten bekommen, weil er sich etwas nicht hat gefallen lassen, und er ist daraufhin für ein paar Tage verschwunden. Er sagt, sie hätten ihn in einem verschlossenen Raum festgehalten.« Harry legte ihr eine Hand auf den Arm. »Ich pflichte Andrew nicht grundsätzlich bei – mir gefallen seine Ansichten nicht, und ich hoffe, wir müssen nicht gegen die Räte oder die Erdgeborenen kämpfen. Ich will das nicht, wegen der Kinder. Aber wenn man uns weiter zwingt, so schwer zu arbeiten und uns im Gegenzug so wenig dafür gibt, dann könnte es eines Tages wirklich auf einen Kampf hinauslaufen.«
Rachel blinzelte und strauchelte, unsicher, was sie von diesem neuen Aldrin halten sollte, und von diesem neuen Harry. Sie übernahm die Führung, dann blieb sie draußen auf den offenen Wiesen stehen und drehte sich zu ihm um, sodass er ihr gegenüber stehen blieb. Wie konnte sie ihm etwas von dem vermitteln, was sie gelernt hatte? »Du müsstest Selene mal vom Weltraum aus sehen; sie ist so schön. Sie ist wie ein Juwel, an dem wir arbeiten – das Wasser schimmert und funkelt, und die Ränder der Krater werfen wundervolle sichelförmige Schatten. Selene ist klein, Harry, zu klein, als dass wir um sie kämpfen dürfen. Sie ist empfindlich. Und die John Glenn – sie ist gewaltig, aber selbst sie ist anfällig. Wusstest du, dass es im Solsystem Milliarden von Menschen gegeben hat, und dass sie über das ganze System verteilt gelebt haben, und nicht bloß auf einem winzigen Mond? Und manche von den Ratsleuten glauben, all diese Menschen seien tot. Dieser Ort hier ist kleiner und empfindlicher, als wir uns klarmachen.«
Harry schaute zu Boden und scharrte ein wenig mit den Füßen. Dann sah er auf und lächelte. »Gabriel hatte recht; du bist wirklich eine geborene Anführerin.«
Rachel schüttelte den Kopf. Sie konnte nicht mehr ertragen -es gab so vieles, was mit dieser neuen, älteren Selene nicht stimmte. »Harry«, sagte sie, »ich muss gehen. Ich muss zurück nach Hause, aber vorher will ich unbedingt noch ein wenig fliegen. Der Garten an Bord des Schiffes war so voll und beengt. Ich brauche das Gefühl von Platz um mich herum.«
Harry sah verblüfft aus. »Möchtest du, dass ich mit dir fliege?«
»Nein. Ich muss eine Weile allein sein. Ich werde in der nächsten Zeit mal abends zu euch herüberkommen, dann können wir in Ruhe miteinander reden. Versprochen! Du kannst mir auch wieder Fragen und Nachrichten schicken, wenn du möchtest.«
»Nein, kann ich nicht. Man lässt uns nicht mehr viel Kommunikation zu privaten Zwecken nutzen.«
Rachel zog die Lippen zusammen. »Okay, wir werden miteinander reden. Ich brauche dich.«
Harry lächelte sie an und streichelte ihr über das Gesicht, als wäre sie ein kleines Kind. »Ich habe allerdings noch eine Menge Fragen an dich.«
Rachel wich ein wenig zurück. »Das kann ich mir vorstellen.« Sie wandte sich ab. »Ich muss gehen. Ich muss darüber nachdenken, dass ihr jetzt alle älter seid.«
»Ich verstehe.« Harry wandte sich um und ging in die gleiche Richtung davon, in die Gloria und die Kinder verschwunden wären.
Rachel wurde klar, dass sie nicht einmal wusste, wo er und seine Familie wohnten.
KAPITEL 30
SEEMANNSEINTOPF
Gabriel flog in einem Zickzackkurs über Selenes Urwald dahin. Er probierte ein neues Flugzeug aus, blieb in größerer Höhe und nahm die Veränderungen auf Selene aus der Raubvogelperspektive in Augenschein. Der Boden unter ihm war von grünen Quadraten bedeckt – in den älteren Pflanzungen ein Durcheinander aus Grünschattierungen, die miteinander wetteiferten, in den neueren Feldern Siena mit grünen Sprenkeln. Durch die älteren grünen Quadrate schlängelten sich Feldwege. In dem neueren Urwald waren die Muster mit den langgezogenen Rechtecken von Start- und Landebahnen durchbrochen. Auf einigen der Landebahnen waren Leute und kleine Flieger als Punkte erkennbar.
Ihm gefiel das alles; die alten Pflanzungen sahen aus, als hätten sie Bestand. Entlang der alten Sea Road stießen neue Reihen von gepflanztem Grün ins Brachland vor. Da und dort kündeten kahle braune Stämme von Strahlungsschäden durch die Eruptionen, doch die meisten Bäume sahen gesund aus. 50 Prozent des vorgesehenen Urwalds waren inzwischen gepflanzt. Schon jetzt existierte beinahe genügend Vielfalt, um die vorgesehene Bevölkerung von 5000 Menschen am Leben zu erhalten. Was die Pflanzungen betraf, so lagen sie
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