Harlekins Mond
weißes Datenfenster und ließ es zu ihrer Rechten in der Luft hängen. »Zuerst einmal möchte ich von euch wissen, welche Bestandteile in der Grundnährstofflösung enthalten sind.«
Eine einfache Frage. Rachel entschied sich, die Antwort einem der jüngeren Schüler zu überlassen. Zwei von ihnen und Andrew meldeten fast zur selben Zeit eine Antwort an.
Ali rief den kleinen blonden Jungen namens Nick auf, den Andrew zuvor geärgert hatte, und seine Antwort erschien in dem Fenster neben Ali. Nicks Stimme zitterte anfangs vor Nervosität, wurde jedoch sicherer, während er aufzählte: »Die Makro-Nährstoffe sind Stickstoff, Silikon, Phosphor und Kalium. Kalzium, Magnesium –« Nick mühte sich durch den Rest seiner Antwort und benannte zum überwiegenden Teil die richtigen Elemente.
»Sonst noch jemand?«, fragte Ali.
»Eisen«, meldete sich Sharon zu Wort.
»Aber wir bekommen doch schon Eisen aus dem Boden«, warf Andrew ein.
»Wir müssen es trotzdem immer noch messen; an manchen Stellen gibt es zu viel davon«, antwortete ihm Sharon.
»Ganz richtig. Wieso ist die Verteilung ungleichmäßig?«, fragte Ali.
»Also, hier im Wald ist es ziemlich gleichmäßig verteilt. Aber auf ganz Selene ist der Boden aus so Sachen, die aus dem Weltraum gekommen sind, und an manchen Stellen hat die Art, wie ihr die Welt gemacht habt, nicht funktioniert, und sie ist ungleichmäßig geworden.« Sharon schlug sich die Hand vor den Mund. Einige der anderen Kinder kicherten.
Rachel versuchte, die Aufmerksamkeit von Sharon abzulenken. »Das war kein Fehler, es ging einfach nicht anders. Manche Asteroiden und Monde enthalten mehr Eisen als andere. Außerdem variiert alles andere auch. Wir müssen auf Stellen achten, an denen es zu viel Eisen gibt – es verbrennt die Wurzeln. Deshalb untersuchen wir, bevor wir etwas pflanzen, immer den Boden, ganz besonders im freien Feld.« Rachel lächelte dem jüngeren Mädchen aufmunternd zu. »Und du hast recht, Eisen ist wichtig. Es muss immer welches geben, es darf nur nicht zu viel sein.«
»Aber das gilt doch für jeden Nährstoff«, stellte Andrew fest. »Sie müssen alle in genau richtiger Menge vorhanden sein.«
Sharon antwortete nicht. Andrew hatte es geschafft, Rachel ebenfalls dumm aussehen zu lassen. Rachel krümmte sich, zum zweiten Mal an diesem Morgen fassungslos vor Wut. Sie durfte ihren Zorn nicht zeigen – sonst würde sie vielleicht durchfallen. Es war nicht schwer, sich die Missbilligung der Räte einzuhandeln. Sie schaute hinüber zu Sharon, die ihr einen flehenden Blick zuwarf. Rachel lächelte ihr aufmunternd zu – die einzige Hilfe, die sie ihr anbieten konnte.
Ali wandte sich mit ihren Fragen nun Andrew zu, vielleicht, damit Sharon Zeit bekam, ihre Fassung wiederzuerlangen. Andrew nannte ein gut durchdachtes Beispiel für die Art, wie die winzigen Sensorpods drahtlos miteinander kommunizierten und Informationen über den Boden, die Atmosphäre sowie jegliche Pflanzen, mit denen sie verbunden waren, sammelten und sendeten. Die Pods waren allgegenwärtig – Daten flössen von überall auf Selene in Aldrin zusammen, wo sie gesammelt und in den Weltraum weitergeleitet wurden, zu dem Trägerraumschiff John Glenn. Ali setzte Andrew bedachtsam weiter zu und brachte ihn schließlich an die Grenze seiner Fähigkeit, sicher zu antworten.
Der mündliche Teil der Prüfung dauerte nunmehr schon eine Stunde an. Rachel war so wütend auf Andrew, dass sie hätte speien können. Er hatte sämtliche guten Fragen gestellt bekommen. Manche ihrer eigenen Antworten wären besser gewesen, doch Andrew ließ ihr keine Gelegenheit, sie vorzubringen. Und wo Andrew keine Antwort gewusst hatte, war der stille Harry ohne Fehl für ihn eingesprungen. Rachel konnte Andrew in Gegenwart der Ratsleute keine Ohrfeige geben, und ihre schnelle Auffassungsgabe schien ebenfalls gelitten zu haben. Ursula hatte nicht allzu gut abgeschnitten; Rachel hätte sie am liebsten gebeutelt, um sie aus ihrer Schüchternheit herauszureißen. Das Ganze lief nicht gut.
Schließlich schaute Ali zu den beiden Mädchen herüber und fragte sie: »Wieso pflanzen wir dieses Wäldchen mit unseren Händen an, und nicht mit Maschinen?«
Andrew setzte erneut zu einer Antwort an, doch Ali gebot ihm mit erhobener Hand zu schweigen, und er schloss den Mund wieder und rutschte unruhig auf seinem Platz herum.
Rachel warf einen Blick zu Gabriel hinüber sie hatten sich einmal während eines Spaziergangs über dieses Thema
Weitere Kostenlose Bücher