Harlekins Mond
bald anfangen, den Antimateriegenerator zu montieren. Die Arbeiten an der Zuflucht sind weit genug gediehen, dass wir einige Leute dorthin versetzen können. Abgesehen davon hoffe ich, dass du mir bei einem Problem behilflich sein kannst.«
»Oh«, sagte Rachel leise. Sie erreichte das obere Ende des Rollbands und betätigte gekonnt den Öffnungsmechanismus der Außentür. Die Gerüche von Wasser und frischer Luft strömten herein. »Wobei brauchst du meine Hilfe?« Sie trat durch die Tür ins Freie und blieb auf der Anlegestelle stehen, um auf ihn zu warten.
Gabriel kam heraus und blieb neben ihr stehen; er spürte einen leichten Wind im Gesicht. »Mathew und Dena haben mit der Gruppe in Camp Clarke Schwierigkeiten, ihre Produktionsquoten zu erfüllen.«
»Wie sollte ich dabei helfen?«
»Ich weiß es nicht. Projekte, an denen du mitarbeitest, scheinen einfach besser zu laufen. Weißt du irgendetwas über Mondkinder, die Probleme haben, ihre Aufgaben innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens zu bewältigen?«
Rachel schüttelte den Kopf und schirmte mit erhobenem Unterarm ihre Augen vor dem Licht ab. »Wie ich schon sagte, ich komme nicht mehr allzu häufig dorthin.«
»Geh morgen hinüber und bleib eine Weile dort. Ich teile dich der Gruppe zu, die an den Bauteilen arbeitet. Ich möchte, dass du versuchst, die Leute dazu zu bringen, dass sie härter arbeiten. Ich muss mich bald wieder abkühlen, und das bedeutet, ich kann mich nicht selbst um die Sache kümmern. Aber ich glaube, dass manche dieser Probleme möglicherweise absichtlich verursacht werden. Ich habe keine Beweise dafür. Aber Selene befindet sich unter Beobachtung. Auf der John Glenn ist die Rede von … drastischeren Maßnahmen.«
»Als da wären?«
»Beispielsweise noch mehr Räte, die in Camp Clarke leben und die Leute zu verschärftem Dienst einteilen könnten, oder tatsächliche Bestrafungen, falls auf dem Weg hierher weiterhin Dinge ›fallen gelassen‹ werden.«
Rachel fuhr herum und schaute ihn an, die Zähne fest zusammengebissen. »Wir brauchen bessere Aufgaben – nicht weniger oder mehr. Wir brauchen Eigenverantwortung. Wir müssen mehr lernen, damit wir uns selbst helfen können. Langsam werden wir wütend, Gabriel. Was ist eigentlich der Zweck all unserer Arbeit hier? Dass ihr uns verlassen könnt? Und dabei soll ich euch helfen?«
Gabriel pflichtete ihr bei, aber er konnte die grundsätzliche Situation kaum beeinflussen. Er wäre gern auf und ab gelaufen, doch er zwang sich, stehen zu bleiben und schluckte den aufkeimenden Ärger hinunter. »Rachel, Selene ist noch immer kein sicherer Lebensraum. Wir haben noch nicht einmal genügend Transportmittel gebaut, um jeden in Camp Clarke schnell genug in die Zuflucht zu schaffen, falls das nötig sein sollte. Darüber sollten die Mondgeborenen einmal nachdenken – und uns helfen, indem sie kooperieren.« Er senkte die Stimme, versuchte, seinen Tonfall zu mäßigen und Rachel zu beschwichtigen. »Zieh um nach Camp Clarke. Ich werde mich mal mit Ali unterhalten. Die Mondkinder schenken dir eine Menge Aufmerksamkeit. Ich möchte, dass du diese Aufmerksamkeit in eine positive Richtung lenkst.«
Rachel atmete tief, als versuche sie, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. »Sieh mal, Gabriel, ich habe keine Ahnung, ob es wirklich ein Problem gibt. Oder zumindest weiß ich nicht, ob wir die Ursache dieses Problems sind. Ich bin davon nicht überzeugt. Ich denke, wir werden schon zu sehr beaufsichtigt. Wir sind viel klüger als ihr glaubt.«
Gabriel hatte diesen Standpunkt schon vertreten, seit sie gemeinsam einen zwanzigjährigen Dornröschenschlaf in den Kältekammern verbracht hatten. Er ging bis zum Ende der Pier und blieb vor der Safe Harbor stehen. »Rachel, ich wünschte, die Situation hätte sich anders entwickelt. Du hast die Mitglieder des Hohen Rates kennengelernt. Sie entscheiden, wie alles läuft. Nicht ich. Ich bin imstande gewesen, dich unterrichten zu lassen, dir zusätzliche Klassen zu bewilligen oder einigen von euch verantwortungsvollere Jobs zu verschaffen. Aber wenn ich kalt bin, werde ich überhaupt keinen Einfluss mehr haben.«
»Wirst du dich für uns einsetzen, wenn du hinauf aufs Schiff gehst?«
»Das tue ich sowieso immer.« Er hatte den Verdacht, dass das der Grund war, weshalb man ihn zurückrief. »Es ist nicht gut für deine Leute, wenn der Rat sie verdächtigt, dass sie unsere Projekte zu verzögern versuchen.«
»Dann sag ihnen, sie sollen uns besser
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