Harlekins Mond
Flugfreigabe erhältst.«
Astronaut machte drei Kameras im Innern des Lagerhauses ausfindig, die Gabriel einen ziemlich guten Überblick verschaffen würden. Gabriel ließ die Luftaufnahme des Lagerhauses als schwebendes Hintergrundbild stehen und bettete drei körnigere, aber dennoch passable Innenansichten darin ein. Nun konnte er diverse Gänge hinuntersehen. Eine der Kameras befand sich im Rohmaterialbereich, eine andere zeigte einen der Verarbeitungsräume, und in der Übertragung der dritten waren Stapel von fertig gestellten Vorprodukten zu erkennen, größtenteils Metalle. Zwei Gestalten bewegten sich zwischen den Stapeln fertiger Güter hindurch; anscheinend schauten sie sich nur um.
Rachel und ihr Begleiter hatten einen niedrigen Zaun überwunden; noch immer im Tiefflug bewegten sie sich um den Brennpunkt des Geschehens herum und hielten sich außer Sicht.
Gabriel rief sie. »Rachel, was hast du eigentlich vor?«
Rachels Flugrhythmus wurde einen Augenblick lang unregelmäßig. Dann sagte sie: »Diese Sache aufhalten.«
»Wie?«
Sie antwortete zwischen den vom Fliegen bemessenen Atemzügen. »Das weiß ich noch nicht. Aber Dylan ist dort, und Justin.« Atemzug. »Und Harry vermutlich auch – er war losgegangen, um einzelne Leute nachzuholen, die zurückgeblieben waren.« Atemzug. »Das ist länger her, und er ist nicht zurückgekommen.«
Von der Sache mit Harry hatte Gabriel nichts gewusst. Das machte die Sache noch schlimmer. »Rachel, dort ist es gefährlich. Geh zurück zu deinen Leuten. Bring dich in Sicherheit.«
»Will mich hier eigentlich jeder kontrollieren?« Atemzug. »Ich suche mir selbst aus, welche Risiken ich eingehe, verdammt noch mal!« Atemzug. Schweigen.
»Wer versucht sonst noch, dich zu kontrollieren?«
»Hilf mir oder hör auf, mich abzulenken!« Atemzug. Rachels Atem ging ungleichmäßig, und sie schnappte nach Luft. Verdammt. Sie wusste doch, dass man nicht so fliegen durfte, dass man dabei außer Atem geriet. Sie muss Angst haben.
Ali war auf die andere Seite des Raums gegangen. Sie kehrte ihm den Rücken zu. Redete Ali mit Rachel? War das der Grund, weshalb sie in der Küche gewesen war?
»Informiert Ali dich darüber, was Andrew tut?«
Atemzug. »Nein.« Atemzug.
»Wer ist es dann?« Er dachte an die Datenströme, auf denen Rachel und ihre Gruppe von Mondkindern erst nicht und dann plötzlich doch zu sehen gewesen waren. Rachel antwortete nicht, doch mit irgendjemandem schien sie zu sprechen.
Kristin tippte Gabriel auf die Schulter.
»Was ist denn? Nicht jetzt!«
»Schauen Sie sich einfach nur das hier an!« Ihre Stimme klang so sehr wie die von Rachel, dass Gabriel aufstand, um sich anzusehen, was los war. Neben Kristin hingen zwei Datenfenster in der Luft. Eines zeigte einen Feldweg, der um einen leeren Acker herumführte – eine hochauflösende Aufnahme, auf der man die Ablaufspuren, die der letzte Regen auf dem Weg hinterlassen hatte, und die winzigen Bewegungen von Blättern im Wind erkennen konnte. Daneben war auf einer körnigen Aufnahme eine große Gruppe von Leuten zu sehen, die sich den Weg entlangbewegte. Was zeigte sie ihm da? Kristin sprach ein Kommando, und die beiden Bilder legten sich übereinander, und obwohl sich der Blickwinkel unterschied, war es der gleiche Schauplatz. »Zeitabgleich«, verlangte Gabriel reflexartig, obwohl er die Antwort bereits kannte.
»Sie stimmen überein. Ganz genau.«
Also wurde Rachel von irgendjemandem geführt. Mit Informationen versorgt. Ermutigt, Risiken einzugehen. Irgendjemand – jemand, der über nicht unbeträchtliche Fähigkeiten verfügte – deckte sie. Oder benutzte sie. Gabriel wirbelte herum. Ali stand immer noch mit dem Rücken zu ihm. Drei Schritte brachten ihn an ihre Seite, und er fragte sehr leise: »Wie versorgst du Rachel mit Daten?«
Ali schaute ihn mit geweiteten Augen an. »Indem ich mit ihr rede. Ich versuche, sie zu beruhigen. Wenn du willst, höre ich damit auf.« Sie berührte ihn mit weit gespreizten Fingern leicht am Bauch, erinnerte ihn an ihre Freundschaft.
Es war eine vernünftige Antwort. Wenn, dann konnte es ohnehin nicht nur Ali sein, die dahintersteckte. Sie war keine Nachrichtentechnikerin – sie war nicht imstande, Visio-Übertragungen so zu manipulieren, wie er es gerade gesehen hatte. Ali war … nun, eben Ali. Seine Freundin. Sie war seine Liebespartnerin gewesen, in Hunderten von Nächten in den Zauberkabinetten des Schiffes, umgeben von Sternen, oder allein auf der
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