Harlekins Mond
Oberfläche von Selene, als noch alles neu gewesen war und sie gemeinsam Dinge gebaut und erschaffen hatten. Er vertraute ihr. »Verdammt noch mal«, sagte er, »wir haben einfach nicht genügend Zeit. Was zum Teufel geht hier vor?« Und dann glaubte er, es zu wissen.
»Astronaut« – er sagte es laut vernehmlich – »sprichst du gerade mit Rachel?«
»Im Moment nicht.«
»Doch, das tust du; das kann niemand anders sein als du!«
»Du weißt, dass es mir nicht möglich ist, dich zu belügen, Gabriel«, erwiderte Astronaut mit seiner perfekten Stimme.
»Unterbrich Rachels Zugang zur Bibliothek. Das ist ihre einzige Com-Verbindung – wer auch immer das ist, der mit ihr redet, er kann nur diesen Link benutzen. Ich will wissen, wer es ist, und ob er sie in Gefahr bringt.«
»Dann wirst du selbst auch nicht mehr in der Lage sein, mit ihr zu reden«, erinnerte ihn Ali. Sie starrte ihn an.
»Ich muss herauskriegen, wer sie führt«, sagte Gabriel. »Sie wird nicht umkehren, und ich fürchte, derjenige, der ihr die Instruktionen gibt, lässt sie geradewegs in die Gefahr hineinlaufen.«
Kristin trat zu ihnen.
»Lass ihren Zugang eingeschaltet«, drängte ihn Ali. »Vertrau ihr!«
Astronauts Stimme erklang laut in dem Raum, sodass alle Anwesenden sie hören konnten. »Ich habe Gabriels Anweisung bereits ausgeführt.«
Sie schauten auf das Fenster. Rachel schüttelte den Kopf. Sie geriet ein wenig ins Taumeln und verlor an Höhe, dann schlug sie kräftiger mit den Schwingen und blieb auf Kurs. Die Kamera erfasste sie von oben, deshalb war für die Beobachter auf dem Schiff ihr Gesicht nicht zu sehen. Drei Straßen vom Schauplatz des Geschehens entfernt wurde Rachel langsamer. Bruce schloss zu ihr auf.
Kristin war die Erste, die etwas sagte. »Wenn Sie ihr den Zugang zu Informationen nehmen, ist sie dadurch in noch größerer Gefahr als vorher.«
Ali musterte Kristin mit einem überraschten Seitenblick; sie stimmte ihr zu. »Wir können ihr von hier aus nicht helfen. Wir sitzen hier fest. Lass sie die Hilfe, die sie braucht, von der Oberfläche bekommen.«
»Aber sie ist in Gefahr!«, wandte Gabriel ein.
»Das sind alle anderen dort unten auch!«, hielt ihm Ali entgegen. »Lass sie eigenständig handeln – das wird sie sowieso tun. Aber gewähre ihr Zugang zu Informationen. Auf diese Weise haben wir jedenfalls noch eine Verbindung zu ihr.«
Kristin schaute ihn an. »Bitte! Sie ist doch meine Tochter.«
Lächelnd legte Ali der größeren Frau die Hand auf die Schulter.
»Astronaut – Rachels Zugang wiederherstellen!«
»Ist wiederhergestellt«, meldete die perfekte Stimme.
Durch die körperliche Nähe der Frauen fühlte sich Gabriel in die Ecke gedrängt, und eingeengt, weil er keine Zeit zum Nachdenken hatte. Auf seinem Mond gingen eine Menge Dinge vor sich, die er nicht verstand. Teufel auch, selbst in diesem Raum geschahen Dinge, die er nicht verstand! Welche Entscheidung war die richtige? Keine Zeit … Er traf seine Wahl. »Kannst du auch die allgemeine Kommunikationssperre für die Mondgeborenen aufheben?«
»Um das zu tun, müsste ich einen ausdrücklichen Befehl Shanes außer Kraft setzen«, sagte Astronaut.
Gabriel fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Okay. Tu es!«
Ali streckte die Hand nach ihm aus, doch er wehrte sie ab. »Gib mir etwas Raum, um nachzudenken. Ich votiere für die Mondgeborenen. Und auch für uns – sofern das möglich ist. Rachel braucht eine Möglichkeit, um zu ihren Leuten zu finden.«
Ali ließ einen langen aufgestauten Atemzug entweichen und lächelte Gabriel mit leuchtenden Augen an. »Ich danke dir.«
Gabriel wandte sich an die KI. »Danke, Astronaut. Aber glaub nicht, dass du damit aus dem Schneider bist, Kumpel – ich würde sagen, du hast noch eine ganze Menge zu erklären.«
»Nein«, sagte Ali, »es ist nicht Astronaut. Wir haben eine Kopie von Astronaut mit auf die Oberfläche gebracht.«
Ali hat eine KI kopiert? Ali hasst KIs! Gabriel packte Ali bei den Schultern. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht? »Wer ist ›wir‹?«
»Treesa und ich.«
Gabriel hielt inne und ließ die Hände sinken. Treesa verfügte über das nötige Können. Und sie war missgestimmt, vielleicht sogar richtiggehend verrückt. Worauf hatte sich Ali da eingelassen? Im Moment war keine Zeit, sie eingehender zu befragen.’ Sollte er Rachel aufhalten? Es wäre ein Leichtes gewesen: Er musste lediglich Shane oder sonst jemandem mitteilen, wo sie sich befand. Ali hatte sich
Weitere Kostenlose Bücher