Harlekins Mond
und Ali gingen zusammen zu ihren jeweiligen Räumen, packten Kleidung und beeilten sich so sehr, wie es Gabriels Zustand nach der schockartigen Erweckung zuließ. Sein Körper hinkte immer noch einen halben Herzschlag hinter seinem Denken her; er musste sich konzentrieren, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Es würde nicht angeben, jetzt aus medizinischen Gründen hier festgehalten zu werden.
Sie hatten die Hangarbucht fast erreicht, als Erika ihnen im Korridor den Weg verstellte. »Ich habe gesehen, dass du ein Schiff requiriert hast.« Ein brüchiger Klang in ihrer Stimme brachte Gabriel dazu, unvermittelt stehen zu bleiben. »Was kannst du da unten ausrichten?«
»Ich muss so schnell wie möglich dorthin«, sagte er. »Wir haben eine Eruptionswarnung –«
»Ich habe es mitbekommen.«
Gabriel hatte eine Idee. »Erika – kann ich dir vertrauen?«
»W –?«
»Entschuldige – dumme Frage. Ich möchte, dass du etwas für mich tust. Check persönlich die Instrumente – überprüfe sicherheitshalber noch einmal Astronauts Eruptionswarnung. Greif dazu auf die Primärdaten zurück. Bitte!«
»Wieso? Was geht hier vor?«
Gabriel blickte von Erika zu Ali und wieder zurück. Welcher der beiden Frauen konnte er trauen? Beiden? Keiner? Früher einmal hatte er Erika gut genug gekannt, um sich ein Leben lang an sie binden zu wollen. Und jetzt? Bei ihrer letzten Begegnung hatten sie miteinander gestritten. Erika war der Captain. Wenn es darauf ankam, dann war es das, was wirklich zählte. Er seufzte. »In der Kurzfassung – zu viele Leute auf Selene wissen zu viel. Treesa hat dort unten eine KI losgelassen. Eine Kopie von Astronaut.« Gabriel bemerkte, dass Ali ihn wütend anstarrte. »Ich weiß nicht, warum, aber ich bin sicher, dass der Hohe Rat davon keine Ahnung hat. Ich werde mehr darüber in Erfahrung bringen, sobald ich kann.«
»Was hat –«
»Also überprüf diese Daten für mich, okay? Diese Eruption ist in gewisser Weise ein Gottesgeschenk – sie bedeutet, dass wir da unten alles schnell unter Dach und Fach bringen müssen. Die Frage ist nur: Ist sie wirklich echt?«
Ali warf ein: »Was Astronaut gesagt hat, stimmt – er kann dich nicht belügen.«
»Bist du sicher? Niemand hat an seinem fundamentalen Regelsatz herumgespielt? Irgendetwas ist schon passiert, das die Anfertigung einer Kopie zugelassen hat.« Gabriel wollte Ali vor Erika nicht belasten, solange er nicht Genaueres wusste.
Ali schaute Erika an. »Wir müssen da hinunter – wir müssen versuchen zu retten, was noch zu retten ist. Gabriel besitzt bei den Mondgeborenen größere Glaubwürdigkeit als irgendjemand sonst; er ist die Wasserträger geflogen.«
»Ich weiß. Geh! Nur tu mir den Gefallen und begib dich nicht in Gefahr«, sagte Erika.
Gabriel packte sie rasch und drückte sie an sich, so fest er konnte.
Erika fühlte sich in seinen Armen steif an. »Immer verlässt du mich wegen irgendetwas auf Selene«, sagte sie.
»Überprüf einfach nur die Daten für mich. Und sag ein paar Stunden lang nichts – zu niemandem. In Ordnung? Mit noch mehr Panik ist niemandem gedient. Liren ist auf dem Weg nach unten, und bei einer Nachricht über eine abtrünnige KI würde sie vermutlich Anfälle bekommen.« Er blickte zu Ali hinüber. »Warte einfach nur, bis du mehr Informationen hast, bevor du irgendetwas unternimmst.«
Ali lächelte schwach.
Er ließ Erika los; zurück blieb ein leeres Gefühl in seinen Händen. »Meine Freigabe seitens der Medizinischen Abteilung kann jeden Moment erfolgen, und dann möchte ich weg sein.«
»Immer hänge ich auf Schiffen fest, während du losziehst, um Selene zu retten«, stellte Erika fest.
»Nun, das ist es doch, was du immer gewollt hast, oder nicht?« Gabriel lächelte sie an, und nach einem Augenblick -einem sehr langen Augenblick – erwiderte sie das Lächeln. Dann winkte sie ihn und Ali durch. »Sei vorsichtig.«
Erst nachdem Erika hinter ihnen zurückgeblieben war, kam ihm zu Bewusstsein, dass sie ihnen keinerlei Versprechen gegeben hatte, die abtrünnige KI geheim zu halten.
KAPITEL 64
DAS KIND
Astronaut parste Daten über die Eruption, erhielt ein Echtzeit-Warnsystem aufrecht, um sämtliche Ratsangehörigen und Erdgeborenen über die aktuelle Lage auf dem Laufenden zu halten, fertigte 15 Kopien von allen Echtzeit-Datenströmen aus der Umgebung des Lagerhauses an, leitete Kristin Informationen direkt über ein System mit hoher Prioritätsstufe zu und überwachte die Funktionen
Weitere Kostenlose Bücher