Harlekins Mond
dafür ausgesprochen, nicht einzugreifen, sondern sie ihres Wegs gehen zu lassen. Und was hatte Liren vor? Gottverdammt! Er wusste einfach nicht genug. Eine KI! »Mach dich darauf gefasst, mir unterwegs einiges zu erklären. Ich kann in 20 Minuten ein Schiff bekommen.«
Astronaut meldete: »Ich habe eines für dich vorgemerkt.«
Gabriel wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Aufnahmen aus dem Lagerhaus zu. Star befand sich unter Bewachung. Eine junge Frau stand über ihr. Die Frau trug eine Waffe, doch das musste nicht zwangsläufig einen großen Vorteil bedeuten. Star besaß die Stärke der unter Erdschwerkraft Aufgewachsenen und war trainiert in den Kampfkünsten. So viele Menschen, die mir etwas bedeuten, sind in Gefahr!
Astronauts Stimme brach erneut das Schweigen. »Eruptionsalarm!«
Was versuchte die KI nun wieder abzuziehen? Keine schlechte Idee, durchfuhr es Gabriel, den Feindseligkeiten ein Ende zu machen, indem man eine Eruption ins Spiel brachte. Es war … vielleicht sogar brillant. Vielleicht. Er konnte die Möglichkeit nicht außer Acht lassen, dass die Eruption echt war. »Welche Klasse? Wie viel Zeit bleibt uns?«
»Y-Klasse Neun. Die solare Strahlungsfront erreicht Selene in neun Stunden.«
Das war gewaltig! So gewaltig, dass sie jeden von der Oberfläche und in die Zuflucht schaffen mussten. Viele Eruptionen gingen sonst wohin – und die größte, die sie je registriert hatten, bewegte sich geradewegs auf Selene zu? »Findest du nicht, dass das ein bisschen zu gelegen kommt? Kann ich dir noch trauen? Oder erzählst du mir als Nächstes etwas von einem Erdbeben?«
»Ich werde dir etwas von einem Erdbeben erzählen, wenn eines stattfindet«, erwiderte Astronaut.
Ali blieb hinter Gabriel stehen. »Wir haben keine Wahl.«
Gabriel beobachtete die verschiedenen Fenster. Es war nicht zu übersehen, dass die Räte auf Selene die Warnung ebenfalls erhalten hatten. Rund um das Lagerhaus fanden sich die Leute hektisch miteinander redend zu kleinen Grüppchen zusammen. Sie würden der Warnung Glauben schenken, darauf waren sie trainiert. Gabriel hatte keine Zeit, die Daten selbst zu überprüfen – nicht die Primärdaten, und alles andere konnte der neue, nicht länger vertrauenswürdige Astronaut vermutlich manipulieren.
»Gehen wir!«, sagte er. »Bis wir so weit sind, dass wir ein Schiff durchgecheckt haben, werde ich meine vier Stunden zusammenhaben.«
»Eigentlich war vorgesehen, dass du dich einem kompletten medizinischen Check unterziehst«, gab Ali zu bedenken.
Gabriel drückte einen Knopf an seinem Gürtel. »Ich habe gerade meine Werte an die Medizinische Abteilung übermittelt. Sollen sie die benutzen – die brauchen mich dort nicht persönlich.« Er stellte die Verbindung zu Rachel wieder her. »Rachel, hör mir zu. Unternimm jetzt nichts Dummes. Geh nicht in die Nähe dieses Lagerhauses. Ich komme runter. Ali und ich sind auf dem Weg.« Er zögerte. »Rachel – wir haben eine Eruptionswarnung. Wieso holst du nicht deine Familie zusammen und gehst gemeinsam mit ihnen in die Zuflucht? Dank Astronaut ist eure Kommunikation wiederhergestellt. Euch bleiben nur neun Stunden Zeit bis zum Eintreffen des Eruptionssturms.«
Er erhielt nicht sofort eine Antwort. Gabriel konnte sie atmen hören.
»Hörst du mich?«
»Ich weiß nicht, was ich tun werde, Gabe.« Atemzug. »Ich werde nicht umkehren.« Atemzug. »Aber, ja, komm hier herunter. Bitte.«
Ali schüttelte den Kopf und machte sich daran, die Datenfenster zu schließen, wobei sie die, die Rachel und das Lagerhaus zeigten, bis zuletzt offen ließ.
Kristin fragte: »Brauchen Sie Hilfe?«
Gabriel blinzelte. »Nein. Ja. Können Sie hierbleiben und Ihre Beobachtungen fortsetzen? Senden Sie mir alles Erwähnenswerte, von dem Sie glauben, dass ich es auf dem Weg nach unten vielleicht verpasse!« Gabriel sprach in die Luft. »Astronaut -schalte einen Kommunikationskanal mit erhöhter Prioritätsstufe zwischen mir und Kristin frei!«
»Falls erforderlich. Ich glaube, Kristin ist dazu selbst imstande. Sie ist gut in ihrem Job.«
Gabriel sah Rachels Mutter an. »Okay. Nach dem Sonnensturm, nachdem wir da unten alles gesichert haben, können Sie einen Flug zu uns herunter nehmen. Ich bin ziemlich sicher, Rachel wird froh sein, Sie zu sehen – sofern sie diese Sache überlebt.«
»Vielleicht«, meinte Kristin. Ein schrecklich verwundbarer Ausdruck huschte kurz über ihr Gesicht. »Ich glaube nicht, dass sie mich wird sehen wollen.«
Gabriel
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