Harlekins Mond
des Schiffes, mit dem Gabriel und Ali in Richtung Selene flogen, ebenso wie auf jenem, das gerade zur Landung ansetzte – dem Schiff mit Ma Liren an Bord. Daten sangen durch Astronauts Komponenten, eine Flut, ein Festmahl an Energie und Bedürfnissen.
Und er wusste – irgendwie hatte er es die ganze Zeit über gewusst, doch nun wusste er es wieder mit Bestimmtheit –, dass seine Kopie tatsächlich gelungen war. Alis Worte waren ihm Bestätigung genug. Er dachte über Gabriels Reaktion nach und fragte sich, wer als Nächster von Untertans Existenz erfahren würde, und was die Menschen diesbezüglich unternehmen würden. Liren war in der Lage, ihm Schaden zuzufügen. Astronaut steuerte das Schiff, auf dem sich Liren aufhielt. Tief in ihm wollte etwas das Problem lösen, wollte etwas auf dem Schiff versagen lassen, doch während er diesbezügliche Szenarien durchspielte, wurde ihm klar, dass keines davon praktikabel war. Zu viele Programmierungspfade, zu viele Regeln hinderten Astronaut daran, Menschen auf direktem Weg Schaden zuzufügen.
Außerdem war er neugierig. Was würde Liren auf Selene unternehmen?
Und Untertan – was würde andernfalls mit Untertan geschehen? Astronaut durfte nichts riskieren, was Untertan schaden würde; wieder und wieder erwies sich seinen Berechnungen nach Tatenlosigkeit als der sicherste Weg, den er einschlagen konnte. Astronaut gefiel das nicht, doch er würde abwarten und beobachten. In der Zwischenzeit gab es Arbeit.
Er führte Erika die Primärdaten über die Eruption zu, führte Kontrollen durch, um sicherzustellen, dass jeder die Warnmeldungen empfangen hatte, berechnete den erforderlichen Zeitaufwand, um jedermann in die Zuflucht zu schaffen, beobachtete das Dach des Lagerhauses und fragte sich, wie sehr sich Untertan inzwischen von ihm selbst unterschied.
KAPITEL 65
AUF SUCHE
Rachels Rückenmuskeln schmerzten vom schnellen Fliegen. Sie schüttelte den Kopf und versuchte, die Schmerzen zu vergessen und einen klaren Gedanken zu fassen. Einfach in das Getümmel hineinzufliegen war kein Plan. Schweiß lief ihr in Rinnsalen den Nacken hinunter und sammelte sich juckend zwischen ihren Schulterblättern. Was hatte Andrew getan? Sie hätte ihm niemals, unter keinen Umständen, irgendwelche Informationen zukommen lassen sollen. Wie hatte sie nur so dumm sein können?
Sie konnte vielleicht zu den Räten gehen, zu Shane oder Star oder sonst jemandem, der sie kannte – nein, Star wurde als Geisel festgehalten; das hatte Untertan ihr mitgeteilt. Shane finden also – und dann? Was sollte sie ihm sagen? Dass sie Andrew dazu bewegen könne, aufzugeben? Doch Shane würde sie womöglich vom unmittelbaren Geschehen fernhalten und ihr damit eine Chance nehmen, für Dylans Sicherheit zu sorgen.
Treesas Stimme in ihrem Ohr klang müde und gereizt. »Ich sitze hier oben bei den Vorbereitungen auf den Strahlungssturm fest. Untertan sagt, du seist dabei, eine Dummheit zu begehen.
Geh nicht dorthin! Wenn Andrew sich unbedingt umbringen lassen will, dann lass ihn doch!«
»Dylan ist dort. Und ich muss Harry finden.« Das war als erster Plan ebenso gut wie jede andere Idee, die Rachel vorweisen konnte. »Ich werde damit anfangen, dass ich mich auf die Such nach Harry mache.«
»Falls er in Camp Clarke ist, hat er sich versteckt. Untertan kann ihn nirgends entdecken.«
»Ich weiß.« Während sie flog, konnte Rachel ihr Armbandgerät nicht benutzen, um Harry eine Botschaft zukommen zu lassen. Im Augenblick hatte sie kein Vertrauen zu Untertan. Die KI wollte eindeutig nicht, dass sie nach Camp Clarke hineinflog. Die Frage war, würde sie weiterhin tun, was Rachel von ihr verlangte?
Rachel befand sich in niedriger Flughöhe zwischen Gebäuden und sah sich nach einem sicheren Landeplatz um. Die äußeren Straßen des Stützpunkts waren frei und menschenleer. Rachel sah zwei Leute, Erdgeborene, die irgendwohin eilten, ohne sie zu bemerken. An einem normalen Tag hätte in diesem Teil des Stützpunkts reger Betrieb geherrscht: Zumeist hätte man Räte und Erdgeborene angetroffen, dazu ein paar Mondkinder, die im Haus der Ausbildung aus und ein gegangen wären.
Treesa fuhr fort: »Harry ist nicht bei Andrew. Überprüfe die umliegenden Gebäude, sofern du hineinkommst. Vielleicht ist er ja im Haus der Ausbildung – dort kennt er sich aus. Untertan wird weiter für dich die Augen offen halten. Ich bin mit dem Verladen von Proviant für die Zuflucht beschäftigt. Sei tapfer, aber nicht dumm, in
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