Harlekins Mond
anzubringen. Ursula schaute sehnsüchtig zurück zu Rachel, während sie, einen unhandlichen Kasten mit Sensoren tragend, in Harrys Gefolge von dannen zog. Rachel zuckte die Schultern und täuschte Abscheu vor; sie wäre glücklich gewesen, hätte sie mit Harry gehen können.
Sie machte sich zusammen mit Gloria auf den Weg, um Gesteinsproben zu sammeln und nach Vegetation Ausschau zu halten, die, seit die Begrünung von Selene begonnen hatte, hierher gelangt sein mochte. Alle hatten abgesprochen, sich nach zwei Stunden wieder zu treffen, lange bevor die Gezeiten wechselten und das Wasser sich zu ihrer Seite des Kraters hin in Bewegung setzen würde. Rachel und Gloria gingen an den inneren Hängen des Kraters entlang; ihre Füße rutschten auf dem losen, sandigen Boden. Hin und wieder mussten sie über feuchte Felsbrocken hinwegklettern.
Gloria fragte: »Wieso suchen wir hier nach Pflanzen?«
»Nun, wir wollen kontrollieren, wo was wächst, um sicher zu sein, dass wir ein vollständiges Ökosystem anlegen«, antwortete Rachel. »Es ist wichtig, dass wir es bemerken, wenn irgendwo etwas passiert, das wir nicht geplant haben.«
»Dann reißen wir die Pflanzen aus, wenn wir hier draußen welche finden?«
»Nein. Wir nehmen Proben. Ich glaube, der Boden ist sowieso zu unfruchtbar, um hier tatsächlich Pflanzen vorzufinden. Wir wissen, dass es hier mittlerweile Mikroorganismen gibt, durch die sich der Regolith in Erdreich verwandelt, aber er ist nicht präpariert worden wie die Felder, und deshalb wird sich pflanzliches Leben höherer Ordnung hier nicht halten. Du wirst hier keinen Bananenbaum entdecken, der sich irgendwie in Erikas Fehlschuss verirrt hat. Wir suchen nach Moosen und Pflanzen von einfacher Struktur.«
Rachel ging in die Knie und hob einen Stein auf, von der ungefähren Größe ihrer Faust. Ein weißlich-grüner Ring zog sich um ihn herum. »Ha! Das hier könnte Moos oder eine Alge sein«, stellte sie fest. »Also nehmen wir eine Probe davon mit und analysieren sie.« Mit einem kleinen Metallwerkzeug aus ihrer Tasche schabte sie ein wenig von der Substanz von dem Stein ab. Die Probe kam in eine kleine Tüte, die sich selbst versiegelte.
»Und was ist, wenn wir nicht wollen, dass das hier wächst?«
»Das weiß ich nicht, Gloria … frag am besten Gabriel.«
»Mach ich. Wie hast du das gesehen? Ich wäre glatt daran vorbeigelaufen.«
»Halte einfach die Augen offen. Schau genau hin. Erfolg beim Terraforming zeigt sich in den Details – wie hier, wo du ganz kleine Anzeichen sehen wirst, wie zum Beispiel einen Stein, der auf einer Seite eine etwas andere Farbe hat. Manchmal ist es einfach nur eine Sache des Instinkts. Ali sagt, das Unterbewusstsein weiß mehr als der Verstand.« Rachel langte hinunter und hob einen weiteren Stein auf. Er war ebenfalls mit weißlichem Grün umrandet. »Das hier sieht aus, als wäre es das Gleiche, aber wir nehmen trotzdem eine Probe«, entschied Rachel.
»Werden wir auch größere Pflanzen sehen?«
»Ich glaube nicht.«
»Ich werde sorgfältig Ausschau halten«, versprach Gloria; ihre Stimme klang konzentriert und sehr zuversichtlich. »Die Flut kommt bis hier hoch – ich kann sehen, wo es unter den Steinen nass ist. Werden wir fertig sein, bevor sie hier heraufkommt?«
Rachel schaute zu der Wasserfläche im Zentrum des Kraters hinüber, Hunderte Meter von ihnen entfernt. Sie standen nur ein klein wenig höher, und Rachel meinte, bereits eine kleine Kriechbewegung in ihre Richtung wahrzunehmen. Den Angaben ihres Armbandgeräts zufolge hatten sie noch 90 Minuten Zeit. Die Markierung, die den höchsten Stand der Flut kennzeichnete, war oberhalb von ihnen zu sehen – eine dicke, in die Felsen eingekerbte Linie, vielleicht 20 Minuten Fußmarsch von ihnen entfernt.
»Uns wird nichts passieren. Die Flut steigt hier nicht so weit die Hänge hinauf wie im Meer der Hammerschläge, aber wir machen uns trotzdem bald wieder auf den Weg hangaufwärts. Gabriel und Ali haben uns keine genaue Route vorgegeben, der wir folgen sollen.«
»Ist schon okay«, meinte Gloria. »Ich vertraue dir.«
»Übrigens, das war gut aufgepasst«, stellte Rachel lobend fest. »Es ist wichtig, dass man sich stets bewusst bleibt, was um einen herum vorgeht.« Das Wort »Anführerin«, bekam in ihren Ohren neuerdings einen guten Klang. Sie wuchs in die Rolle hinein.
Rachel blieb stehen, um einen Steinhaufen umzuwerfen und fand noch mehr moosartige Substanz, von einem tieferen Grün als an dem
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