Harlekins Mond
ist er?«
»Er ist sicher aufgehoben. Und Selene ist erst einmal sicher vor ihm. Seine Datenrechte sind ihm entzogen worden.«
»Datenrechte?«
»Wir sorgen dafür, dass er Beschäftigung bekommt. Sein Armbandgerät ist aus dem System ausgeschlossen, ausgenommen für Warnmeldungen. Alles, was er bekommt, sind Einwegdaten.«
Die Vorstellung, seinen Netzzugang zu verlieren! Wie sollte Andrew jetzt noch irgendetwas Neues lernen? Rachel erschauderte. »Ihr habt ihn wirklich von allem abgeschnitten?«
»Das ist weder dein Problem, noch ist es deine Schuld. Trotzdem wirst du hier noch aufräumen müssen.« Gabriel wandte sich Nick zu. »Sehen wir uns mal an, ob du mit dem Wiesengras erfolgreich warst«, schlug er vor und ging mit Nick im Schlepptau davon.
Rachel schaute Gabriel erbost hinterher. Sie ballte die Hände zu Fäusten. Andrew war nicht hier, und sie hätte ebenso gut auf einen Felsen wütend sein können wie auf Gabriel. Sie lief in ihrer Parzelle herum, trat nach Klumpen getrockneter Erde. Sie sammelte einen Haufen toter Äste zusammen, setzte sich dann an den Rand der Verheerung und starrte sie lange Zeit einfach nur an, während sie in ihren Händen trockene Zweige herumdrehte. Die Zweige fühlten sich rau und scharf an, und ihre dornigen Kanten zerkratzten ihr die Handflächen.
Gabriel hatte kein Recht gehabt, das vor ihr zu verheimlichen, bis sie hierher kam. Das war keine Achtlosigkeit gewesen; er hatte dafür Sorge getragen, dass er selbst dabei war, als sie die Verwüstung zu sehen bekam. Wieder eine Lektion? Ein weiterer Test?
Sie verstand die Räte nicht. Aber weshalb hatte Andrew überhaupt so etwas getan? Und warum hatte er es ihr angetan? Wieso war immer sie das Ziel seiner Aktionen?
Rachel verbrachte die nächsten beiden Tage mit der Neubepflanzung und Pflege ihrer Parzelle. Nachdem sie vorsichtig nachgesehen hatte, wie die übrig gebliebenen Pflanzen angegangen waren, arbeitete sie einige Veränderungen gegenüber ihrem ursprünglichen Platzierungskonzept aus. Die Verbesserungen zu sehen hob ihre Stimmung ein wenig. Sorgfältig richtete sie ein Kommunikationsnetz zwischen ihrer Parzelle und ihrem Armbandgerät ein. Von nun an würde sie Echtzeitströme erhalten; von jedem neuen Schaden würde sie umgehend erfahren.
Am nächsten Morgen ging Rachels Dad gemeinsam mit ihr zu ihrer Parzelle. Er hatte sich ihre Arbeit zuvor noch nie genauer angesehen, sondern sich mit dem begnügt, was sie erzählte. Rachel drückte seine Hand und deutete auf einen breiten Randstreifen mit jungen Pflanzen. »Siehst du – da drüben ist der Schaden am schlimmsten gewesen. Ich habe den Weg mit Helikonien gesäumt. Ich wollte dort die leuchtend roten Farben.«
Ihr Dad lächelte leise und verstrubbelte ihr die kurzen Haare. »Ich glaube, es wird großartig aussehen. Manchmal kommt auch bei schlimmen Dingen am Ende noch etwas Gutes heraus.«
Rachel entgegnete darauf nichts.
Er half ihr beim Jäten und Harken, bis es beinahe dunkel war, und als sie sich zusammen auf den Heimweg machten, hielten sie einander bei der Hand.
Rachel und Ursula arbeiteten tagelang zusammen. Harry kümmerte sich stillschweigend um Andrews Parzelle ebenso wie um seine eigene. Er wirkte gehetzt. Er verbrachte nicht viel Zeit mit den Mädchen, doch wenn Ursula nicht zugegen war, lächelte er Rachel an, und manchmal setzten sie sich zusammen und redeten oder betrachteten die Wolken.
Die Tage wurden kühler. Harlekins dunkelrubinrotes Glühen ließ nicht nach, doch Apollos Licht wurde nicht länger von dem Gasriesen zurückgeworfen, und nachts war Aldrin sowohl von Apollo als auch von Harlekin abgewandt. Am satten schwarzen Himmel konnte Rachel doppelt so viele Sterne erkennen wie im Hochsommer. Sie und Ursula machten sich ein Spiel daraus, bis spät in die Nacht Sterne und Sternbilder zu taufen. Zweimal passierten sie Meteorschauer, und Lichtbahnen flammten am Himmel auf, hell genug, um Ursulas feines Haar in der Dunkelheit aufschimmern zu lassen.
Eines Nachts, als Harlekin Apollo vollständig verdunkelte und die Sterne näher und dichter wirkten als je zuvor, gesellte sich Harry zu ihnen. Ursula verabschiedete sich umgehend. Rachel blieb, wo sie war; sie und Harry legten sich auf den Rücken und schauten in den Himmel.
»Ich habe mit Andrew gesprochen«, sagte Harry unerwartet. »Er war heute für ein paar Stunden in der Stadt. Er ist mit einer erdgeborenen Pflanzmannschaft draußen gewesen. Er sagt, er hat es gehasst. Sie behandeln
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