Harlekins Mond
eine … Maschinenintelligenz?« Sie nahm die DNA-Probe und markierte den kleinen Frosch mit einem gelben Punkt, sodass sie ihn wiedererkennen würde, falls sie ihn erneut einfing.
»Es gab zu viele von ihnen. Sie nehmen keinen Raum ein. Sie kommunizieren und interagieren, sie teilen und verschmelzen ihre Bewusstseinsinhalte miteinander, und sie bilden Subroutinen aus. Sie wollten damals per Volksbegehren eine Anerkennung ihrer Bürgerrechte durchsetzen! Die Anzahl an Wählerstimmen hätte sich mit jeder Mikrosekunde geändert!«
»Wählerstimmen?« Rachel hatte das Wort noch nie gehört.
»Paritätische Beiträge zu einer gemeinsamen Entscheidung. Egal … das ist nicht so wichtig. Und die Maschinen auch nicht.«
»Dann spielen sie keine Rolle?«
»Oh – sie haben sehr wohl eine Rolle gespielt. Aber konzentrieren wir uns lieber erst einmal auf die Menschen.«
»Zwölf Milliarden …« Zwölf Milliarden? Eine Zahl mit neun Nullen?! Rachel setzte den kleinen Frosch auf einem breiten Blatt ab und sah zu, wie er davonhüpfte. Alles in der Welt des Rates war so groß! Und wenn es auf der Erde zwölf Milliarden Menschen gegeben hatte, dann war die John Glenn im Vergleich dazu tatsächlich klein. Was mochten die Ratsleute wohl von Aldrin halten? Oder von ihr? Was dachten sie wirklich?
Die Frau fragte: »Hast du jemals die Erde gesehen?«
»Wiesollteich?«
»Ich kann sie dir zeigen.«
Rachel kam sich vor, als spielte diese seltsame Frau ein Ratespiel mit ihr. Sie hätte gern die Erde gesehen. Wie wollte diese Frau sie ihr zeigen? »Okay.«
Die Frau drehte sich um und ging davon. Rachel zögerte, dann steckte sie ihre eine DNA-Probe vorsichtig in eine Tasche und folgte ihr.
Die Hose der seltsamen Frau war an der Kehrseite nahezu durchgescheuert. Die Frau ging langsamer als Rachel, selbst an diesem Punkt, auf halbem Weg entlang der Krümmung zwischen dem Fuß des Baumes Achtern und dem Fluss. Hier war die Schwerkraft tatsächlich, ein wenig niedriger als auf Selene. Sie waren vom Hauptweg abgebogen, sodass sie sich nun zwischen zwei Windungen der Spirale befanden. Schließlich blieben sie vor einem großen Schuppen stehen.
Die Frau hielt die Tür auf und sah Rachel über die Schulter hinweg an. »Den haben sie früher für Werkzeuge benutzt, aber ich habe ausgehandelt, dass ich hierbleiben durfte. Ich erledige Gartenarbeiten für sie. Ich bin also ebenfalls nur ein Werkzeug, genau wie du.«
Rachel betrat in den Schuppen. Sie nahm nicht an, dass Kyu das gefallen würde. Beging sie einen Fehler? »Werden Sie mir Ihren Namen verraten?«
»Ja.«
Rachel wartete, doch die Frau gab ihren Namen nicht preis. Rachel schaute sich um. Der Schuppen war geräumiger als ihre Kabine. In der hinteren Ecke hockten in einem Käfig zwei große Papageien. Sie hatten lange rote Schwanzfedern, blaue Flügelspitzen und gelbe Köpfe und wirkten viel bunter und lebendiger als auf den Bildern, die Rachel von solchen Vögeln gesehen hatte. Sie bewegten sich unruhig in ihrem Käfig; sie rochen nach Ammoniak und Körnerfutter. Als Rachel zu dem Käfig hinübergehen wollte, hielt die Frau sie am Arm fest. »Die beiden sind an niemand anderen gewöhnt als an mich. Es wird besser sein, wenn du sie dir nur von hier aus anschaust.«
Rachel schluckte ihre Enttäuschung und riss den Blick von den Papageien los. Die Wände waren mit langen, schimmernden blauen und roten Papageienfedern dekoriert, die in Fächern angeordnet und mit schicken perlenbesetzten Griffen versehen waren. Davon abgesehen war der Raum in braun, orange und gelb gehalten; kreisförmige Muster zierten Einrichtung, Wandbehänge und Fenster. Zwei bequeme, mit blauem Stoff bezogene Sessel standen in der Mitte des Raums, doch nur einer davon sah aus, als sei er je benutzt worden. Die Sessel waren zu einer Wand hin ausgerichtet, die mit der gleichen schimmernden Substanz verkleidet war wie die Korridorwände und der Versammlungsraum in der Cafeteria. Wenn Räte in der Cafeteria aßen, zeigten die Wände oft Bilder. Wenn Rachel dort allein war und auf Kyu wartete, sahen sie aus wie diese hier; sie war hell und reflektierte das Licht, und momentan schimmerte sie silbrig. Nachdem die Frau in dem älteren Sessel Platz genommen hatte, bedeutete sie Rachel mit einer Geste, sich ebenfalls zu setzen.
»Treesa.«
»Hm? Oh – Freut mich, Sie kennenzulernen, Treesa.«
»Sieh hin!«
Die Wand wurde schwarz, dann erschien darauf eine große grünblaue Weltkugel; um sie herum im Orbit waren
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