Harold Shea 03 - Die Stählerne Festung
gespannt, und die Pfeilspitze war auf den Bauch des Hünen gerichtet. »In diesem Reich kümmern mich weder Kaiser Karl noch der Fürst von Circassia. Aber ich sage, er ist ein aufrichtiger Mann, der gut gekämpft hat, und er hat dich verschont, als er dich hätte töten können. Ob Sarazener oder nicht, von nun an soll Frieden zwischen euch herrschen.«
Astolph grinste und streckte die Hand aus, um die Sheas kräftig zu drücken. »So geht's nun mal im Krieg. Ein Glück, daß du den Stoß nicht mit einer geschärften Schwertspitze ausführen konntest, dann hättest du mich regelrecht aufgespießt. Ich schätze, du kannst mir noch ein oder zwei Tricks zeigen. Sollen wir uns zusammentun?«
»Ich bin nicht sicher«, antwortete Shea. »Um was für einen Feldzug handelt es sich?« Dabei dachte er: Wenn ich sie zu Chalmers bringen kann, kann er ihr Gedächtnis wieder herbeiholen. In der Zwischenzeit werden mich sämtliche Ifriten Atlantes' nicht von ihr wegschaffen.
»Gegen die gottverdammte entschuldige, mein Mädchen gegen die Festung Carena. Atlantes hat Lord Roger dort drin, und es gibt eine Prophezeiung, daß unsere Seite den Krieg nicht gewinnen kann, wenn wir ihn nicht bekehren können.«
Shea kicherte. »So wie ich den Burschen kennengelernt habe, wird es beinhart, ihn zu irgend etwas zu bekehren, das er nicht selber will. Er hat nämlich gar nicht genug Verstand, den man bekehren könnte.«
Astolph winkte ab. »Das kriegen wir schon hin. Er hat Bradamant, die Kriegerin, am Liebesbrunnen gesehen, und er hat sich in sie verliebt, als er daraus trank; jetzt muß er alles tun, was sie will, solange der Zauber nicht aufgehoben wird. Atlantes wollte ihn zum Brunnen des Vergessens fliegen, aber ich habe mir das Flugpferd geschnappt.«
Eine Welle der Erleichterung erfaßte Shea. »Du meinst, Bradamant ist die Kriegerin, die Roger den Sarazenen entreißen soll? Ich habe schon gefürchtet. . .« Kurz beschrieb er Chalmers' und Florimels Lage auf Carena und erläuterte, warum er sich auf die Jagd nach Roger gemacht hatte.
Als er fertig war, sagte Belphebe: »Mein Herzog, habe ich nicht gesagt, daß er ein aufrichtiger Mann ist? Sir, ich danke Euch für Eure Freundlichkeit mir gegenüber. Ihr dürft mir Eure Ehrbezeugung erweisen.« Mit leichter Hand zog sie ein Messer aus dem Gürtel, nahm ihre Kappe ab, spaltete die Feder in der Mitte und reichte Shea eine Hälfte. »Meine Gunst.«
Verlegen und ein wenig verwirrt, versuchte er, die halbe Feder an seiner Brust zu befestigen. Verrückt, im Stadium ihrer Beziehung eines dieser formellen mittelalterlichen Rituale der schrittweisen Annäherung zu beginnen . . .
»Roger hat sich also dünne gemacht«, unterbrach Astolph die Stille. »Sehr interessant, du hättest mir das eher erzählen sollen. Ein blöder Esel, dieser Roger, aber ein unheimlich guter Kämpfer.« Er machte eine Pause. »Aber damit ist längst nicht alles bereinigt, mein Freund. Du und ich sind in gewissem Sinne Rivalen. Wir wollen beide Scheich Roger, und Lady Bradamant will ihn auch, obwohl ich den Grund dafür nicht verstehen kann. Aber ich schlage einen Waffenstillstand vor. Wir entscheiden die Sache durch Würfel oder was immer du willst, aber ohne Magie. Bist du übrigens ein echter Zauberer?«
Shea blickte zu Boden. »Kein sehr guter, fürchte ich.«
»Na komm schon, Jungchen, keine falsche Bescheidenheit. Führ mir mal einen kleinen Zauber vor, damit wir einander vertrauen können. Es geht nichts über Vertrauen.«
»Es geht nichts über Leder«, sagte Shea trocken, »es hält länger.« Belphegor-Belphebe sah ihn erwartungsvoll an. Um alles in der Welt konnte er sich nicht an die somatischen Elemente erinnern, die in der Magie dieses Raum-Zeit-Kontinuums so wichtig zu sein schienen. Moment mal da war doch dieser kleine Zauber, den Chalmers arr. Vortag demonstriert hatte, um zu zeigen, worauf es ankommt. Die Verse waren einfach und ließen eine Pflanze wachsen. In diesem Fall war es ein Löwenmäulchen gewesen. Etwas Gras würde ausreichen, und es müßte eine bedeutend wirkende Pflanze wachsen lassen. Shea rupfte ein Büschel aus, legte es auf den Boden, kniete sich davor, schloß die Augen und flüsterte:
»Schwächlich die Saat,
Doch stark mein Wollen.
Möge sie wachsen
Aus Poren und Pollen!
Trotz Blitzen und Bränden
Soll das Wachstum nicht enden!«
Als er aufblickte, war von einer Pflanze nichts zu sehen. Und auch nichts von dem Gras. Er fragte sich, was er diesmal
Weitere Kostenlose Bücher