Harold Shea 03 - Die Stählerne Festung
schien den anderen beruhigen zu wollen. Der zweite trug mittelalterliche Kleidung mit Hosen und hochgebogenen Schuhspitzen, wie Shea sie in Faerie gesehen hatte. Die Schnüre seiner Jacke baumelten herab. Er war unrasiert, und seine Augen fuhren unruhig hin und her. Seine Fäuste vollführten hektische Bewegungen, seine Stimme dröhnte.
»Meiner Treu!« sagte Astolph. »Schaut hierher, Burschen, zum Gruß und so weiter!«
Der kleinere Mann blickte auf, winkte fahrig, packte das Handgelenk des anderen mit einem Schraubstockgriff und führte ihn zu den Neuankömmlingen. Shea bemerkte, daß der Wilde nach klassischen Maßstäben schön war, wenn er sich etwas säubern würde.
»Meinen Gruß, edler Astolph«, sagte er und verbeugte sich, so gut es mit dem anderen Mann im Griff eben ging, »und Heil dir, ehrenwerte Belphegor. Erneut ist der Zorn über unseren großen Gefährten gekommen. Er hätte das halbe Dorf getötet, hätte ich ihn nicht daran gehindert. Doch um der Wahrheit die Ehre zu geben, es war nicht allein seine Schuld.«
»Tatsächlich? Erzähle es uns, alter Knabe«, sagte Astolph.
»Würdet ihr es glauben, ehrenwerte Dame und ihr, meine Herren? Einen Achtender brachte ich mit, ein Stück Wildbret, wie selten ein Mensch es vor der Vesper sah. Eine Mahlzeit für seine Majestät den Kaiser selbst, sollte man glauben. Und was machen diese gemeinen Schufte damit? Sie kochen es, als handele es sich um eingesalzenen Stockfisch! Ich mußte würgen, aber unser Freund Roland bekam die beiden ersten Bissen bravourös hinunter. Beim dritten, so schien mir, muß er einen Teil seiner Kenntnisse der Gesetze der Kochkunst wiedergewonnen haben, denn er brüllte auf wie ein Löwe, stürzte sich auf die Pagen und traktierte ihre Köpfe mit Fausten. Doch welchen Sinn hat das schon? In diese Schädel kann man den Geschmack nicht einmal einhämmern.«
Jetzt nahm er Shea näher in Augenschein. »Ein Heide, ha! Ich danke dir, Lord Astolph; eine Scheibe von seinem Gesäß wird mich für das verdorbene Wildbret entschädigen.« Er lachte grölend, um zu zeigen, daß diese Worte als Scherz gemeint gewesen waren. Pflichtbewußt lächelte Shea.
»Ahemm«, sagte Astolph. »Lord Reinald von Montalban, darf ich Euch Sir Harold de Shea vorstellen? Ein Bursche aus England das heißt, von einem unserer Verbündeten.« Er wandte sich an Shea. »Ich würde dir gerne den Grafen Roland d'Anglante vorstellen, doch wie du siehst, würde der arme Kerl dich nicht erkennen.«
Der Wilde bei dem es sich um den Grafen zu handeln schien leckte seinen Zeigefinger und tippte mit der Spitze auf die andere Hand, die Lord Reinald fest im Griff hielt. Diese Betätigung schien ihn mit tiefer Befriedigung zu erfüllen. »Sir Harold ist ebenfalls auf der Suche nach Roger von Carena. Die Welt ist klein, was?«
»Die Jagd wird wohl länger dauern als die nach Angelica«, sagte Reinald. Seine freie Hand holte etwas aus der Jacke hervor, das er zu einem flüchtigen Kuß an die Lippen führte, bevor er fortfuhr. »Von den Bauernlümmeln haben wir erfahren, daß Sir Roger beim ersten Morgengrauen hier durchkam, und zwar so schnell, als sei ihm Sankt Beelzebub auf den Fersen.«
»Tatsächlich, alter Knabe!« rief Astolph aus. »Das geht mir nicht in den Kopf! Daß er mir entschlüpft ist, bringt mich mehr auf als deine Kanonisierung Beelzebubs.«
Reinald zuckte die Achseln und wehrte einen plötzlichen Ruck seines Begleiters ab. »Dann kaufen wir eine Kerze für Luzifer. Es ist so geschehen oder willst du mein Wort anzweifeln?«
»Nein, aber Mensch, alter Knabe, für den Kaiser ist das sehr wichtie. Warum hast du ihn nicht aufgehalten?«
»Kann ein Mann ständig wie ein Priester leben? Roland schlief; ich band ihn an einem Dachsparren fest und suchte eine Jungfer auf, die mir am Brunnen gewisse . . . naja . . . Zeichen gegeben hatte.«
»Wie ekelhaft!« schrie Astolph. »Und dafür hast du deine Aufgabe vernachlässigt?«
Reinald zog eine Grimasse. »Angelica ist fort, und Belphegor treibt mich mit Pfeilen, die spitzer sind als die Cupidos, von sich weg. Was bleibt mir da noch im Leben?«
Damit schien alles gesagt zu sein. Sie gingen auf das Dorf zu. Astolph blickte plötzlich auf und sagte: »Wißt ihr was? Ich glaube, Roger richtet sich nach Westen und will dann umkehren, um sich Agramants Armee anzuschließen. So was wird er wohl für den Gipfel der Schlauheit halten.« Er wandte sich an Shea.
»Dein Gangsterfreund mit dem komischen Namen
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