Harper Connelly 02 - Falsches Grab-neu-ok-10.12.11
unvorhergesehenen Katastrophen passieren...«
Ich kam
schlagartig wieder auf den Boden der Realität zurück. Natürlich ist es nicht
einfach für Leute wie uns, sich krankenzuversichern, denn wir gehen keiner
»normalen« Arbeit nach. Und dass ich vom Blitz getroffen wurde, bewertet man
stets als bereits vorliegende, gesundheitliche Beeinträchtigung. Das bedeutet,
dass die Versicherung für nichts aufkommt, was sich als Folge des Blitzschlags
auslegen lässt. Wir müssen Unsummen für eine ganz normale Versicherungspolice
hinlegen. Ich werde jedes Mal wütend, wenn ich nur daran denke, und tue alles,
um gesund zu bleiben.
»Also gut,
wir werden das Auto nicht zu Schrott fahren, uns nicht die Knochen brechen und
uns nicht verklagen lassen«, sagte ich. Was alltägliche Verstauchungen und
Schnittwunden betraf, dokterten wir meist selbst an uns herum. Und als Tolliver
einmal mit Grippe im Bett lag, verbrachten wir eine ganze Woche in einem Motel
in Montana. Aber die einzigen chronischen Beschwerden habe ich infolge des
Blitzschlags.
Man sollte
meinen, dass man sich langsam wieder davon erholt und damit basta. Der Ansicht
sind auch die meisten Ärzte. Aber das stimmt nicht. Ich habe mich mit anderen
Überlebenden im Internet ausgetauscht. In den darauf folgenden Jahren kann es
zu Gedächtnisverlust, starken Kopfschmerzen, Depressionen, einem Brennen in den
Füßen, einem Klingeln in den Ohren, einer eingeschränkten Beweglichkeit und
vielen anderen Auswirkungen kommen. Ob das an den Neurosen des Opfers liegt -
wie die Ärzte behaupten - oder die Folge einer rätselhaften Reaktion des
Körpers auf eine unvorstellbar große elektrische Ladung ist ... nun, da gehen
die Meinungen auseinander.
Ich habe
meine eigenen Probleme, aber zu meinem Glück sind sie relativ gleichbleibend,
so dass ich mit ihnen klarkomme. Und soweit ich weiß, gibt es sonst keine
Überlebenden eines Blitzschlags, die Tote finden können.
Ich hatte
ausreichend Zeit zu duschen, mich anzuziehen und mir Gedanken darüber zu
machen, was wir mit diesem Tag anfangen sollten, als uns dieses Problem auch
schon abgenommen wurde. Die Polizei kam erneut vorbei, um weitere Fragen zu
stellen.
Detective Lacey war diesmal in Begleitung einer Beamtin
namens Brittany Young. Detective Young war Anfang
dreißig, eine schmalgesichtige Frau mit einem kurzen, braunen Strubbelkopf und
einer Brille. Sie hatte eine riesige Handtasche dabei, trug bequeme Schuhe und
Kleider, die nach Versandhauskatalog aussahen, sowie einen goldenen Armreif ums
linke Handgelenk. Sie schaute sich neugierig in unserem Hotelzimmer um, anschließend
musterte sie mich mit noch größerer Neugier.
»Reisen Sie
immer so luxuriös?«, fragte sie, während sich Detective Lacey
mit Tolliver unterhielt. Ich spürte, dass sie etwas im Schilde führten. Na, was
konnte das wohl sein?
»Eher
nicht«, sagte ich. »Normalerweise steigen wir in Budget Hotels und Motels ab.
Aber dieses Haus hier dient unserer eigenen Sicherheit.«
Sie nickte,
als hätte sie wirklich Verständnis dafür, ohne uns für Angeber zu halten. Detective Brittany Young war bemüht, ein gutes Verhältnis zu
mir aufzubauen. Sie grinste mich an. Ich grinste zurück. Ich kenne das Spiel,
schließlich habe ich es bei anderen Gelegenheiten oft genug gespielt.
»Wir
brauchen alle Informationen, die Sie uns geben können«, sagte sie ernst,
lächelte aber immer noch. »Es ist für unsere Ermittlungen von großer Bedeutung,
wie die Leiche hierher gelangt ist und wie Sie sie gefunden haben.«
Ach nee. Ich
versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich sie für eine Vollidiotin
hielt. Stattdessen antwortete ich: »Nun, ich erzähle Ihnen gern alles, was ich
weiß. Aber ich fürchte, ich habe bereits gestern alles Nennenswerte dazu
gesagt.« Schon etwas aufrichtiger fügte ich hinzu: »Es tut mir so leid für die
Morgensterns.«
»Würden Sie
von sich und Ihrem Bruder behaupten, dass Sie religiös sind?«
Jetzt
überraschte sie mich wirklich. »Das ist eine sehr persönliche Frage, die ich
nicht für meinen Bruder beantworten kann«, erwiderte ich.
»Aber würden
Sie sich als Christen bezeichnen?«
»Wir wurden
im christlichen Glauben erzogen.« Cameron und ich
zumindest; was für eine religiöse Erziehung die Langs genossen
hatten, wusste ich nicht. Spätestens, als Tollivers Dad meine
Mutter geheiratet hatte, besaß die religiöse Erziehung der Kinder keine
besonders hohe Priorität mehr. Gegen Ende unseres Familienlebens wusste
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