Harper Connelly 02 - Falsches Grab-neu-ok-10.12.11
Fall
angesetzt wurde, hat er nichts Nennenswertes mehr zustande gebracht. Und als
sie gefunden wird, kommt er sofort hierher. Nicht wegen Tabitha an sich oder
wegen Joel und Diane, sondern um das Rätsel zu lösen. Wie einer von den
Polizisten in Colorado, als dieses kleine Mädchen bei sich zu Hause umgebracht
wurde.«
»Die kleine
Schönheitskönigin. Du glaubst, Seth ist von Tabitha so besessen wie andere von
dem Colorado-Mädchen?«
»Ja, ich
halte das durchaus für möglich. Und ich halte es für gefährlich.«
Ich setzte
mich neben ihn ans Fußende und ertappte mich dabei, das Foto anzusehen, das er
hinter den Spiegel gesteckt hatte. Ein Foto, das er stets bei sich trug. Es war
ein Schnappschuss von Cameron, Mark, Tolliver und mir.
Wir lächeln alle, aber es ist kein echtes Lächeln. Mark hat die Lider ein wenig
gesenkt. Sein kräftiger Körper und sein rundes Gesicht unterscheiden ihn
deutlich von uns. Zu meiner Linken ist Cameron im
Profil zu sehen, sie schaut zur Seite. Ihr helles Haar ist zu einem
Pferdeschwanz gebunden. Tolliver und ich stehen in der Mitte, er hat den Arm um
meine Schultern gelegt. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass wir
wirklich Bruder und Schwester sind und nicht nur Halbgeschwister. Wir haben
beide dunkle Haare, sind eher blass und dünn. Aber wer uns länger kennt, sieht,
dass mein Gesicht ovaler ist als das eher eckige von Tolliver. Er hat dünne,
schmale Lippen, meine sind voll. Tolliver hatte in der Pubertät starke Akne,
die nicht behandelt wurde. Das Ergebnis sind entsprechende Narben auf den
Wangen. Meine Haut ist feinporig und glatt. Tolliver übt eine starke Anziehung
auf das andere Geschlecht aus, ganz im Gegensatz zu mir.
»Du machst
ihnen ganz einfach Angst«, sagte Tolliver leise.
»Habe ich
gerade laut gedacht?«
»Nein, aber
es fiel mir nicht schwer, deinem Gedankengang zu folgen. Obwohl eigentlich du
die Hellseherin in unserer Familie bist.« Er legte den Arm um mich und drückte
mich.
»Du weißt
ganz genau, dass ich nicht gern als Hellseherin bezeichnet werde«, sagte ich,
obwohl ich nicht wirklich wütend war.
»Ja schon, aber
wie soll man es sonst nennen?«
Wir hatten
diese Diskussion schon öfter geführt. »Ich finde Leichen«, sagte ich mit
gespielter Verachtung. »Ich bin so was wie ein menschlicher Geigerzähler.«
»Dann
brauchst du ein Superhelden-Outfit. Grau und Rot würden dir gut stehen«, sagte
Tolliver. »Enge Strumpfhosen und ein Umhang, vielleicht auch ein paar rote Handschuhe
und rote Stiefel?« Ich lächelte das Foto an. »Wenn dieser Medienhype vorbei
ist, können wir für eine Woche in unsere Wohnung zurückkehren«, sagte Tolliver.
Die Wohnung
in St. Louis war nichts Besonderes, aber tausendmal besser, als in einem noch
so eleganten Hotel abzusteigen. Wir konnten unsere Post öffnen - viel war das
ohnehin nicht -, unsere Klamotten waschen, ausschlafen und zur Abwechslung mal
selbst kochen.
Das ständige
Unterwegssein machte uns zunehmend zu schaffen. Das ging jetzt schon seit fünf
Jahren so. Anfangs hatten wir noch so gut wie nichts verdient: Ehrlich gesagt,
hatten wir sogar Schulden gemacht. Aber in den letzten drei Jahren hatte sich
die Sache allmählich herumgesprochen, und wir bekamen regelmäßig Aufträge. Ja,
wir hatten sogar schon ein, zwei Jobs ablehnen müssen. Wir zahlten unsere
Schulden zurück und konnten eine schöne Stange Geld zur Seite legen.
Irgendwann
einmal wollen wir uns ein Haus kaufen. Vielleicht in Texas, um nicht allzu weit
von unseren kleinen Schwestern weg zu sein, selbst wenn wir sie wegen Iona und
ihrem Mann nicht sehr oft sehen würden. Aber wir wären für alle Fälle in der
Nähe, und wenn wir hin und wieder Kontakt zu Mariella und Gracie hätten,
würden sie eines Tages vielleicht eine bessere Meinung über uns haben.
Wenn wir ein
Haus hätten, würden wir einen Rasenmäher kaufen, und ich würde jede Woche den
Rasen mähen. Ich würde mir einen riesigen Blumentopf anschaffen, einen von
denen, die aussehen wie ein abgesägtes Fass, und ihn bepflanzen. Schmetterlinge
würden kommen, Bienen von Blüte zu Blüte fliegen ... Außerdem wünschte ich mir
einen von diesen großen Briefkästen von Rubbermaid, die es bei Wal-Mart gibt.
»Harper?«
»Was ist
denn?«
»Du warst
schon wieder ganz weit weg mit deinen Gedanken. Was ist los?«
»Ich habe an
das Haus gedacht«, gab ich zu.
»Vielleicht
nächstes Jahr«, meinte Tolliver.
»Echt?«
»Ja, unser
Konto ist gut gefüllt. Wenn keine
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