Harper Connelly 02 - Falsches Grab-neu-ok-10.12.11
Detective Young, als hätten wir bisher nur Scherze gemacht.
»Gab es irgendwelche antisemitischen Äußerungen gegenüber den Morgensterns?
Eigentlich sollte so etwas der Vergangenheit angehören. Ich liebe die Südstaaten,
verstehen Sie mich bitte nicht falsch, aber den gesellschaftlichen
Entwicklungen hinken sie doch ziemlich hinterher. Aber vielleicht irre ich mich
ja auch.«
Wir
warteten, dass sie etwas sagte, aber sie sah uns nur an, während sich auf ihrem
schmalen Gesicht eine uns nur allzu bekannte, tiefe Skepsis abzeichnete. Lacey
wirkte, wenn überhaupt, angewidert.
»Detectives«, sagte ich, weil mir das Getue so langsam auf
die Nerven ging. »Lassen Sie mich ein paar Dinge ein für alle Mal klarstellen.«
Wir saßen auf dem Zweiersofa, wo gestern die Morgensterns Platz genommen
hatten, während die Beamten »unsere« Sessel okkupierten. Obwohl Brittany Young mindestens zehn Jahre jünger war als Lacey und
außerdem eine Frau, hatten beide momentan genau denselben Gesichtsausdruck. Ich
holte tief Luft. »Die Morgensterns haben mich beauftragt, nachdem ihre Tochter
bereits seit mehreren Wochen vermisst wurde. Obwohl ich in der Zeitung von
Tabitha gelesen hatte, kannte ich weder Diane noch Joel noch irgendein anderes
Mitglied dieser Familie. Ich hatte keine Ahnung, dass sie mich anrufen und mit
der Suche beauftragen würden. Ich kann also gar nichts mit Tabithas
Verschwinden zu tun haben.«
Das schien
die Atmosphäre ein wenig zu entspannen.
Detective Lacey ergriff das Wort. »Wer genau hat Sie
angerufen? Felicia Hart? Oder Joel Morgensterns Bruder David? Oder vielleicht
Joels Vater? Niemand will die Verantwortung dafür übernehmen.«
Diese
direkte Frage brachte mich in Verlegenheit.
»Tolliver?«
Ich rede nie mit den Kunden, bis wir vor Ort sind. Tolliver meint, das ließe
mich noch geheimnisvoller erscheinen. Und mir macht es in der Regel nur Angst.
»Das ist
schon ziemlich lange her«, sagte Tolliver. Er ging in sein Zimmer und kehrte
mit einem Ordner voller Ausdrucke zurück. Er hatte sich abends häufiger mit dem
Computer beschäftigt und ein paar Formulare für unsere Firma entwickelt. Für Connelly
& Lang, Bergungen. Damit hatte er alle unsere »Fälle« archiviert.
Dieser Ordner trug die Aufschrift »Fälle 2004«, und auf der ersten Seite einer
jeden Fallakte (ein grünes Blatt) stand »Kontaktaufnahme«.
Er überflog
die Seite und half seinem Gedächtnis wieder auf die Sprünge. »Gut. Mr Morgenstern senior hat uns angerufen, und zwar auf die
Bitte seiner Frau, Hannah Morgenstern, hin. Mr Morgenstern...«
Tolliver las sich die Seite ein paar Minuten lang durch. Dann sah er auf und
erzählte der Polizei, dass Mr Morgenstern senior ihn
über seine vermisste Enkelin informiert und ihn gefragt habe, ob wir ihnen
helfen könnten.
»Ich habe
ihm erklärt, was Harper so macht. Daraufhin wurde er
mehr oder weniger wütend und hat aufgelegt«, schloss Tolliver. »Am nächsten Tag
rief dann die Schwägerin an.«
»Felicia
Hart, meinen Sie?«
Tolliver
überprüfte den Namen auf dem Blatt, was im Grunde überflüssig war. »Ja, genau
die hat angerufen.« Sein Gesicht war ausdruckslos, bewusst ausdruckslos. »Sie
sagte, die Familie wolle der Wahrheit einfach nicht ins Gesicht sehen. Aber sie
sei sich sicher, dass ihre Nichte tot sei. Sie wollte, dass Harper Tabithas Leiche findet, damit die Familie endlich mit dieser furchtbaren
Sache abschließen kann.«
»Und was
hielten Sie davon?«
»Ich dachte,
sie hat wahrscheinlich recht.«
»Sind
Familien Ihrer Erfahrung nach oft bereit, sich einzugestehen, dass ihr
vermisster Angehöriger tot ist?« Diese Frage war an mich gerichtet. Detective Young schien einfach nur neugierig zu sein.
»Das
überrascht Sie vielleicht, aber genauso ist es. Sobald ich hinzugezogen werde,
gehen die meisten davon aus. Sie müssen schon wieder einigermaßen auf dem Boden
der Tatsachen angelangt sein, bevor sie mich engagieren. Denn ich finde nun mal
ausschließlich Tote. Wer glaubt, dass sein Angehöriger noch lebt, braucht mich
gar nicht erst zu engagieren. Der soll lieber eine Suchhundestaffel oder einen
Detektiv beauftragen, aber nicht mich.«
Ich zuckte
die Achseln. »Das sagt einem schon der gesunde Menschenverstand.«
Ich kann
nicht gerade behaupten, dass die Detectives besonders
schockiert wirkten. Um sie zu schockieren, musste man ihnen schon mit ganz
anderen Sachen kommen. Aber ihr Blick hatte sich ein wenig verhärtet.
»Andererseits
: Wenn Angehörige
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