Harper Connelly 02 - Falsches Grab-neu-ok-10.12.11
Informationen
gegeben hat.« Sein Gesicht verdüsterte sich. »Zum Beispiel den Todeszeitpunkt.«
Ich nickte.
»Das ist schon gruselig, stimmt's? Dass wir den Mörder um ein Haar verpasst
haben.«
»Wer weiß.
Vielleicht hat der Mörder ja auch irgendwo geparkt und uns beobachtet - nur um
zu sehen, ob wir die Leiche finden und die Polizei rufen. Denn dann hätte er
sich etwas anderes einfallen lassen müssen. Er hätte den Wagen bestimmt nicht
zurückgebracht, wenn er Gefahr gelaufen wäre, in eine Polizeikontrolle zu
geraten und gefragt zu werden, was er denn im Wagen des Toten zu suchen habe.«
Ich
fröstelte und stellte mir vor, wie uns jemand in der Dunkelheit des alten
Friedhofs belauert hatte. Jemand, der abwartete, wie wir auf unsere Entdeckung
reagieren würden. Wenn es ums Aufspüren von Lebenden geht, bin ich nicht sehr
begabt. Aber nach einer Weile verblasste die unangenehme Vorstellung. Das
passte einfach nicht.
»Nein, da
war niemand«, sagte ich. »Denn irgendjemand hat nach uns die Steine
hergebracht; er glaubte also fest, den Mord so vertuschen zu können. Der Mörder
kann folglich nicht wissen, dass wir die Leiche gefunden haben und bezeugen
können, dass außer der Leiche nichts im Grab lag.«
Tolliver
überlegte und nickte. Das ergab durchaus Sinn. »Angenommen, wir erzählen
irgendjemandem davon. Angenommen, man glaubt uns«, murmelte er.
»Schön
wär's.« Ich stand auf und reckte mich. Wegen meines schlimmen Beins ging das
längst nicht so mühelos vonstatten wie bei dem FBI-Agenten, der deutlich älter
war. Ich versuchte mich nicht allzu sehr darüber zu ärgern. Ich bewegte mich
vorsichtig und entspannte die Muskeln. »Die Campus-Polizei haben wir auch nur
um ein Haar verpasst. Und wir dachten, diese Gegend sei vollkommen verlassen.
Von wegen!« An dem, was uns Seth Koenig erzählt hatte, würden wir noch eine
ganze Weile zu kauen haben. Aber wir waren verabredet, eine Verabredung, vor der
ich mich fürchtete. »Ich mach mich fürs Mittagessen fertig. Denn da müssen wir
ja wohl oder übel hin.«
Tolliver
seufzte laut auf. Er hatte genauso wenig Lust dazu wie ich, und Felicia Harts mögliche Anwesenheit machte es ihm auch nicht gerade
leichter. »Ich glaube, die Morgensterns haben ein schlechtes Gewissen, weil wir
Memphis nicht verlassen dürfen«, sagte er. »Sie fühlen sich ein bisschen wie
unsere Gastgeber.«
»Aber ihre
Tochter ist tot, und sie sollten die Zeit nutzen, sich darüber Gedanken zu
machen, die Sache zu verarbeiten.«
»Vielleicht
wollen sie das ja gar nicht, Harper. Vielleicht sind
wir eine willkommene Ablenkung.«
Ich zuckte
die Achseln. »Dann tun wir also wenigstens etwas Sinnvolles.« Aber ich hatte
einfach ein mieses Gefühl dabei. »Ich finde es trotzdem keine gute Idee.«
»Ich freu
mich auch nicht darauf. Aber es bleibt uns nun mal nichts anderes übrig.«
Da er
ziemlich gereizt klang, hob ich abwehrend die Hand. »Ich hab's langsam
verstanden, okay? Und ich hör auch gleich auf zu jammern. Gut, du duschst, und
ich zieh mich an.« Ich sah auf meine Uhr. »Wir haben noch anderthalb Stunden
Zeit. Hast du die Wegbeschreibung?«
»Ja, Joel
hat mir am Telefon alles genau erklärt.« Er sah mich streng an. »Ich bin mir
ziemlich sicher, dass Felicia auch da sein wird. Ich hoffe sehr, du wirst nett
zu ihr sein.«
»Aber
natürlich.« Ich lächelte, woraufhin er nur noch nervöser wurde.
Während der
langen Autofahrt quer durch die Stadt sprachen wir nicht viel. Ich fuhr, und
Tolliver sagte mir, wo es langging.
Das Memphis-Haus
der Morgensterns sah nicht viel anders aus als das in Nashville, wenngleich es in einem geringfügig bescheideneren Viertel lag. Diane und
Joel mochten noble Vororte und keine Altstadtviertel. Sie mochten Siedlungen,
wo die Bäume erst noch wachsen müssen, wo Rollrasen verlegt wurde, die Leute
frühmorgens und spätabends joggen gehen und die Häuser ständig von Lieferwagen
umkreist werden wie Haie von Pilotfischen.
Das Haus der
Morgensterns war ein heller Ziegelbau mit dunkelroten Fensterläden und Türen
sowie einem Garten, der im Frühling bestimmt herrlich war. Außerdem gab es eine
gewundene, zweispurige Auffahrt, in der bereits mehrere auf Hochglanz polierte
Wagen parkten. Unter anderem ein metallicfarbener Lexus, ein dunkelroter Buick,
ein grüner Navigator und ein leuchtend roter Mustang. Wir stellten den Wagen ab
und stiegen aus. Keine Ahnung, wie sich Tolliver fühlte, aber ich kam mir vor
wie auf dem Mars. Manche Häuser
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