Harper Connelly 02 - Falsches Grab-neu-ok-10.12.11
dann wusste ich nicht, wie ich
den Satz zu Ende bringen sollte.
Tolliver
bekam Mitleid mit mir. »Wenn ich ein Mädchen mit so vielen Piercings
kennenlernen würde, würde ich mich auch so einiges fragen.«
»Nun, es ist
bereits Nachmittag und wir hatten einen anstrengenden Tag. Was könnten wir tun,
was zur Abwechslung einfach nur Spaß macht?«
»Ich könnte
die Buchhaltung machen.«
»Na
großartig.«
»Wir könnten
rausfinden, was der Zimmerservice heute zu bieten hat.«
»Ich kann
dieses Hotelzimmer nicht mehr sehen, und ich will nicht schon wieder ins Kino.
Ich brauche dringend Bewegung.«
»Hast du
irgendeine Idee?«
»Ja. Lass uns im Park laufen gehen.«
»Was ist mit
den Journalisten?«
»Wir
schleichen uns durch den Hinterausgang raus und nehmen den Wagen.«
»Aber es ist
kalt, und es sieht nach Regen aus.« »Dann müssen wir eben etwas schneller
laufen.«
13
Wir
schafften es, den Journalisten zu entwischen, nicht aber der Polizei von
Memphis. Als uns die Beamten Young und Lacey endlich
aufgespürt hatten, waren sie alles andere als begeistert von unserem
Freizeitprogramm. Ich hatte mich schon gefragt, wann wir wohl von ihnen hören
würden. Ich wunderte mich nur, dass sie nicht im Hotel angerufen und uns
befohlen hatten, unseren Hintern aufs Revier zu bewegen.
Sie trugen
Trenchcoats, Handschuhe und Schals. Lacey wirkte mürrisch, aber resigniert und Young genervt. Als wir zu ihnen hinüberjoggten, sahen wir,
dass Brittany Young stark erkältet war. In der Mitte
ihres schmalen Gesichts leuchtete eine knallrote Nase, die aussah wie die von
Rudolph, dem Rentier. In der einen Hand hielt sie einen Regenschirm, in der
anderen ein zusammengeknülltes Taschentuch.
»Sind Sie
wahnsinnig?«, knurrte sie. »Bei dieser Kälte in Leggings rumzulaufen?«
Sie deutete auf meine Laufhose. Ich lief noch eine Minute lang auf der Stelle
und wurde dabei immer langsamer. Ich fühlte mich kalt und nass, aber auch
erfrischt, als hätte die kühle, feuchte Luft die Spinnweben in meinem Kopf
fortgeweht.
»Ich nehme
an, Sie wollen uns sprechen?« Tolliver machte ein paar Dehnübungen, und ich
sah, dass Youngs Blick auf seinen Po gerichtet war.
Lacey sagte schnell: »Ja, Mister, und ob wir das wollen. Würden Sie bitte mit
uns aufs Revier kommen? Dort ist es wenigstens warm und trocken.«
»Ich möchte
auf keinen Fall aufs Revier«, sagte ich. »Gibt es hier in der Nähe nicht
irgendeinen Coffeeshop? Falls Sie uns nicht verhaften wollen, gefällt mir ein Café deutlich besser. Dort gibt es sicher auch heiße
Schokolade.« Vielleicht ließ sich die gute Miss Young ja
in Versuchung führen; sie hatte zweimal hintereinander geniest und presste ein
feuchtes Taschentuchbündel an ihre wunde Nase.
»Es gibt da
diesen Laden in der Poplar Street«, sagte sie zu ihrem
Kollegen, der unentschlossen wirkte. »Weißt du noch, wie gut der Kuchen dort
war?« Ein etwas unbeholfenes Bestechungsmanöver, das aber hervorragend
funktionierte.
Eine halbe
Stunde später saßen wir in einem Café, in dem es so warm
war, dass die Scheiben beschlagen waren. Vor den Männern stand ein Becher
Kaffee und vor Detective Young und mir eine heiße Schokolade.
Lacey war begeistert von seinem Nusskuchen mit Sahne, der auf einem Teller vor
ihm stand, während Young beinahe weinte vor
Erleichterung, endlich im Warmen zu sitzen.
»Agent
Koenig hat uns erzählt, dass Sie das mit Clyde Nunley
erfahren haben«, sagte sie mit einer nasalen, aber immerhin menschlichen
Stimme.
Wir nickten.
»Er kam heute Morgen bei uns vorbei und hat es uns erzählt«, sagte ich und
bemühte mich, so ehrlich wie möglich zu sein.
»Rick
Goldman hat ebenfalls vorbeigeschaut«, sagte Lacey, nachdem er einen Schluck
Kaffee genommen hatte. Er sah selig aus. »Rick sagte uns, dass er eine
Auseinandersetzung mit Nunley in der Lobby Ihres Hotels hatte, Miss Connelly.«
»Ja, das
stimmt. Sie endete damit, dass er Dr. Nunley vor die Tür setzte. Ich glaube,
ehrlich gesagt, dass Mr Nunley betrunken war. Er
verhielt sich sehr aggressiv.« Ich hoffte, dass ich so offen und aufrichtig
aussah, wie ich es wollte.
»Sie sind
nicht die Einzige, die uns das erzählt. Wir werden noch herausfinden, wie viel
Alkohol er im Blut hatte. Welches Hühnchen hatte er denn mit Ihnen zu rupfen?«,
fragte Young. Vielleicht lag es an den Medikamenten,
die sie gegen ihre Erkältung eingenommen hatte, dass sie so direkt war. Oder
aber sie war es einfach leid, Spielchen zu spielen.
»Er
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