Harper Connelly 02 - Falsches Grab-neu-ok-10.12.11
mit einer anderen.
»Agent Koenig will, dass Sie mit Nunleys Körper kommunizieren, während Sie gern
Zugang zu Tabithas sterblichen Überresten hätten.«
»So habe ich
das nicht gesagt«, erklärte ich. »Er wollte unbedingt, dass ich mir Nunleys Leiche
ansehe, und ich habe ihm gesagt, ich würde es tun, wenn ich es dafür ein
zweites Mal bei Tabitha versuchen könnte. Eigentlich will ich die Kinderleiche
ungern noch einmal sehen - aber wenn ich damit irgendwie helfen kann, bin ich
bereit, mich zu überwinden.«
»Ich weiß
wirklich nicht, was ich von Ihnen halten soll«, sagte Lacey. Seine kleinen
blauen Augen musterten mich bestimmt schon zum fünfundzwanzigsten Mal.
»Jemandem wie Ihnen bin ich noch nie begegnet, und ich weiß wirklich nicht, ob
Sie eine Betrügerin sind oder - keine Ahnung, wie man das nennt.«
»Den meisten
geht es ähnlich«, sagte ich, weil ihm dabei unwohl zu sein schien. »Machen Sie
sich deshalb keine Vorwürfe. Ich bin daran gewöhnt.«
»Haben Sie
Kinder?«, fragte Detective Young plötzlich an uns beide
gewandt.
Tolliver und
ich starrten sie entsetzt an.
»Wir?«,
fragte er nach einer langen Pause.
Sie schien
zu begreifen, dass Sie sich irgendwie vertan hatte. »Tut mir leid, ich dachte,
Sie beide wären...«
»Wir leben
zusammen, seit wir Teenager sind«, sagte ich. »Tollivers Dad hat
meine Mutter geheiratet. Er ist... wie ein Bruder für mich.« Zum ersten Mal
zögerte ich, diese Worte auszusprechen.
»Ich habe
zwei«, sagte sie, weil sie anscheinend so schnell wie möglich das Thema
wechseln wollte. »Ein Junge und ein Mädchen. Wenn eines meiner Kinder vermisst
würde, würde ich darauf bestehen, dass jeder Stein umgedreht wird, um es zu
finden. Ich würde sogar einen Pakt mit dem Teufel schließen, wenn es sein muss.
Ich werde die Morgensterns fragen, was sie dazu sagen, wenn Sie sich Tabithas
Leiche noch mal... ansehen. Mal schauen, wie sie reagieren.«
Was die
beiden Polizisten wohl sagen würden, wenn ich ihnen erzählte, dass ich am
Vorabend mit einem Geist gesprochen hatte? Ich fragte mich, wie schnell sie uns
dann wohl als Scharlatane abschreiben würden. Ich musste wieder an die knochige
Hand denken, die mich am Arm gepackt hatte, und sah mich gezwungen, die Augen
zu schließen. Wie war es nur möglich, dass Josiah Poundstones Geist noch dort
war? Ich hatte gedacht, ich wisse genau, wie das ablief nach dem Tod, aber
plötzlich befand ich mich auf unbekanntem Terrain.
Ich sah aus
dem Fenster und bemerkte, dass der Verkehr zugenommen hatte; außerdem wurde es
langsam dunkel. Während wir mit den beiden Polizisten im Café gesessen
hatten, war der Nachmittag in den Abend übergegangen. Ich verspürte einen
starken Drang, noch einmal auf den Friedhof zu gehen, um zu sehen, ob der Geist
noch da war und was er vorhatte. Was tun Geister so? Sind sie auch anwesend,
wenn kein Mensch da ist, um auf sie zu reagieren? Materialisieren sie sich nur,
wenn sie kommunizieren wollen, oder sind sie immer...
»Harper«,
sagte Tolliver sanft. »Können wir gehen?«
»Oh, klar«,
sagte ich und zog hastig meine Jacke an. Die Polizisten standen bereits mit
zugeknöpften Mänteln da und sahen ziemlich irritiert aus; sie schienen schon
eine ganze Weile auf meine Antwort zu warten.
»Ich war in
Gedanken«, sagte ich. »Bitte entschuldigen Sie.« Ich tat mein Bestes, wieder
hellwach und normal zu wirken, aber das gelingt mir in solchen Situationen eher
selten, und ich glaube nicht, dass ich sehr überzeugend war. »Vielleicht hat
mich das Laufen doch mehr angestrengt, als ich dachte.«
Nachdem sie
eine halbwegs plausible Erklärung für meine geistige Abwesenheit bekommen
hatten, wirkten die beiden Polizisten gleich wieder ein ganzes Stück
freundlicher, auch wenn Lacey bestimmt nie mein bester Freund werden würde.
»Sie sollten zurück ins Hotel gehen und sich etwas ausruhen«, sagte er. »Sehen
Sie zu, dass Sie während Ihres Memphis-Aufenthalts in nicht noch mehr Probleme
verstrickt werden. Wir melden uns, sobald wir mit den Morgensterns geredet
haben.«
»Gut,
danke«, sagte Tolliver. Nachdem sie mit dem Auto davongefahren waren, zahlten
wir unseren Teil der Rechnung und gingen ebenfalls. »Was sollte das gerade?«,
fragte Tolliver, als wir schließlich wieder in unserem Wagen saßen und an einer
Kreuzung versuchten, links abzubiegen, um zum Cleveland zurückzukehren.
Ich erzählte
ihm, über was ich die ganze Zeit nachgegrübelt hatte.
»Ich kann
verstehen, dass dir das keine
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