Harper Connelly 03 - Ein eiskaltes Grab-neu-ok-14.12.11
wusste
aber nicht, auf wen oder was. Tolliver hatte auf der ganzen Linie recht.
Als wir am
Ende des Gebäudeflügels angelangt waren, sahen wir aus dem Fenster. Aus dem
Regen war ein ekelhafter Eisregen geworden, der klappernd gegen die Schei ben schlug. Na toll. Der arme Suchtrupp. Vielleicht gab er
auf und zog sich in die Wärme der Autos zurück.
Als wir am
Schwesternzimmer vorbeikamen und uns meinem Zimmer näherten, wurde ich immer
langsamer. Mir war immer noch nichts Intelligentes eingefallen, das ich Tolliver
hätte erwidern können.
»Ich glaube, du hast recht«, sagte ich. »Aber...« Was ich
eigentlich sagen wollte, war: Das erklärt noch nicht deine
Feindseligkeit Manfred und seiner Großmutter gegenüber. Warum macht dich sein
Interesse an mir so wütend? Warum regt es dich bei Manfred mehr auf als bei
allen anderen, die Gefallen an mir gefunden haben? Ich sagte nichts von alledem. Und er forderte mich auch
nicht auf, meinen Satz zu beenden.
Ich war
froh, mein Bett zu sehen, und lehnte mich schwer dagegen, während Tolliver den
Infusionsständer samt Schlauch am dafür vorgesehenen Ort verstaute. Er half mir
dabei, mich auf die Bettkante zu setzen, zog mir die Pantoffeln aus und ließ
mich behutsam in die Kissen sinken. Wir zogen die Laken glatt.
Er hatte
sich etwas zum Lesen mitgebracht und auch für mich ein Buch dabei, falls es
meinem Kopf besser gehen würde. Etwa eine Stunde lang lasen wir friedlich, das
Prasseln des Eisregens an unserem Fenster war das einzige Geräusch im Raum. Das
ganze Krankenhaus schien zu schlafen. Ich sah auf die Wanduhr. Bald würden die
Leute von der Arbeit kommen und ihre Freunde und Verwandten besuchen. Eine Zeit
lang würde es im Flur nur so wimmeln von Menschen. Dann würde der große Wagen
mit dem Abendessen hereingeschoben werden, die Schwester mit den Medikamenten
würde ihren Rundgang machen, danach wären die Abendbesucher an der Reihe.
Anschließend würde erneut Ruhe einkehren, da alle, die nicht im Krankenhaus
bleiben mussten, nach Hause ge hen würden. Dann wären
nur noch die Angestellten, die Patienten und ein paar ganz besonders
Aufopferungsvolle hier, die neben den Patientenbetten in Lehnsesseln schliefen.
Tolliver
fragte, ob er bleiben solle. Mir ging es deutlich besser, und ich fand es
rührend, dass er überlegte, noch eine Nacht im Lehnsessel zu verbringen. Ich
war schwer versucht, Ja zu sagen. Vielleicht ging es mir gerade wieder so gut,
dass ich die Kraft hatte, Angst zu haben. Ich fürchtete mich.
Aber ich
durfte nicht so egoistisch sein und ihn zu einer weiteren Nacht im Sessel verurteilen,
nur weil ich so ein Angsthase war. »Fahr ruhig zurück ins Motel«, sagte ich.
»Ich wüsste nicht, warum du heute Nacht nicht gemütlich in deinem Bett schlafen
solltest. Ich kann schließlich jederzeit nach der Schwester klingeln.« Die
unter Umständen erst in einer halben Stunde käme. Wie viele andere schien auch
dieses kleine Krankenhaus personell unterbesetzt zu sein. Sogar die Putztruppe
wirbelte förmlich hindurch, weil sie so viel zu tun hatte.
»Bist du
sicher?«, fragte er. »Im Motel wimmelt es dermaßen von Reportern, dass es hier
eigentlich ruhiger ist.«
Das hatte er
noch gar nicht erwähnt. »Du hast recht«, sagte ich. »Wahrscheinlich kann ich
von Glück sagen, dass ich hier bin.«
»Allerdings.
Ich muss anscheinend so tun, als ob ich nicht im Zimmer
sei. Eine Frau hat heute Vormittag zwanzig Minuten lang an die Tür geklopft.«
Er hatte
ebenfalls seine Probleme, und ich hatte mich nicht einmal erkundigt, wie es ihm
ging. Ich bekam ein schlechtes Gewissen. »Das tut mir leid«, sagte ich. »An die
Presse habe ich gar nicht gedacht.«
»Du kannst
ja nichts dafür«, sagte er. »Du ziehst durch diese Sache einfach jede Menge
Aufmerksamkeit auf dich, weißt du. Das ist mit ein Grund, warum ...« Sein
Gesicht verdüsterte sich. Er dachte erneut an Manfred und Xylda. Klar, dass
Xylda gekommen war, um sich in der Aufmerksamkeit zu sonnen, für die die
Serienmorde gesorgt hatten. Nein, ich kann nicht Gedanken lesen. Ich kenne
Tolliver nur sehr gut.
»Ich kann
mir durchaus vorstellen, dass Xylda sich den Rummel unter normalen Umständen
zunutze machen würde«, sagte ich und versuchte, so sachlich und ehrlich zu
bleiben wie möglich. »Aber sie ist so was von zerbrechlich, und Manfred hat sie
nur sehr ungern hergebracht.«
»Zumindest
behauptet er das«, meinte Tolliver.
»Wie dem auch
sei, er hat es gesagt. Glaubst du wirklich, Manfred
Weitere Kostenlose Bücher