Harper Connelly 03 - Ein eiskaltes Grab-neu-ok-14.12.11
Nachricht überbringen. Dem waren eine
Gehirnerschütterung und ein gebrochener Arm bei Weitem vorzuziehen.
Sheriff Rockwell ging vermutlich etwas ganz Ähnliches durch
den Kopf. Ihre Stimme klang wütend. »Ich wäre Ihnen wirklich sehr dankbar, wenn
sie ihre mediengeilen Freunde da raushalten könnten«, zischte sie.
»Wie bitte?«
»Ihre
Hellseherin, wie immer sie auch heißen mag.«
»Xylda Bernardo«, sagte Tolliver.
»Ja, sie war
unten am Bahnhof und hat großes Theater veranstaltet.«
»Was denn
für ein Theater?«, fragte ich.
»Sie hat
allen erzählt, sie hätte vorausgesehen, dass Sie die Leichen finden. Dass Sie
sie hergeschickt und auch vorausgesehen habe, dass Sie verletzt werden.«
»Alles
Quatsch«, sagte Tolliver.
»Das sehe
ich genauso. Aber sie erschwert unsere Ermittlungen. Erst tauchen Sie auf. Wir
sind natürlich alle skeptisch und vermuten das Schlimmste, aber dann haben Sie
es irgendwie geschafft. Sie haben die Jungen gefunden, und wir wissen, dass Sie
im Vorfeld nichts von diesen Gräbern wissen konnten. Oder zumindest wüssten wir
nicht, wie.«
Ich seufzte
und versuchte es ihr so leicht zu machen wie möglich.
»Aber dann
kreuzt sie mit diesem merkwürdigen Enkel auf. Sie zieht eine Show ab, und er
steht nur dabei und grinst.«
Was sollte
er auch sonst machen?
»Zu allem
Überfluss sieht sie auch noch so aus, als könnte sie jeden Moment tot umfallen.
Jedenfalls tragen Sie beide ordentlich zum Umsatz unseres Krankenhauses bei«,
fügte Sheriff Rockwell schon etwas munterer hinzu.
Ein kurzes
Klopfen ertönte, und dann ging die Tür auf, um den Blick auf einen großen Mann
freizugeben, der die Faust noch erhoben hatte.
»Hallo, Sheriff«, sagte er, einen überraschten Ton in der Stimme.
»Hallo,
Barney«, sagte sie.
»Störe ich?«
»Nein, komm
rein. Ich wollte gerade gehen«, sagte Sheriff Rockwell.
»Raus in die Kälte.« Sie zog ihre Handschuhe an. Ich fragte mich, warum sie
überhaupt gekommen war. Bestimmt nicht nur, um sich über Xylda zu beschweren.
Was konnten wir diesbezüglich schon unternehmen? »Sind Sie gekommen, um Ms Connelly rauszuwerfen?«
»Haha, sehr
lustig. Nein, das hier ist ein reiner Höflichkeitsbesuch. Ich besuche jeden
Patienten auf seinem Zimmer, nachdem er einen Tag bei uns war, nur um
sicherzugehen, dass alles in Ordnung ist. Ich höre mir die Beschwerden an - und
hin und wieder vielleicht sogar ein Kompliment.« Er strahlte uns an. »Barney
Simpson, der Verwaltungschef des Krankenhauses, steht Ihnen zu Diensten. Sie
sind Ms Connelly, nehme ich an.« Er schüttelte mir ganz
sanft die Hand, schließlich war ich krank. »Und Sie sind...?« Er streckte
Tolliver die Hand hin.
»Ich bin ihr
Manager, Tolliver Lang.«
Ich
versuchte mir meine Überraschung nicht anmerken zu lassen. Ich habe noch nie
erlebt, dass sich mein Bruder so vorgestellt hat.
»Ich sollte
wohl lieber nicht fragen, ob Ihnen Ihr Aufenthalt in unserem kleinen Städtchen
gefällt«, sagte Simpson. Er sah so traurig drein, wie es sein Naturell
erlaubte. Er war ein hochgewachsener, kräftiger Mann, mit dickem, vollem,
schwarzem Haar und einem breiten Lächeln, das ihn nie zu verlassen schien.
»Unsere ganze Gemeinde trauert, trotzdem ist es ein Segen, dass diese jungen
Männer gefunden wurden.«
Es klopfte
erneut, und ein weiterer Mann kam herein. »Oh, das tut mir leid«, sagte er,
»ich komme gern ein andermal wieder.«
»Nein, Herr
Pfarrer, kommen Sie herein. Ich habe nur vorbeigeschaut, um zu hören, ob diese
Leute irgendwelche Fragen zum Krankenhaus oder Wünsche haben, das Übliche«,
sagte Barney Simpson rasch.
Ich stellte
fest, dass wir noch gar keine Gelegenheit für das Übliche gehabt hatten.
»Ich muss zurück an den Tatort«, sagte Sheriff Rockwell.
Näher brauchte sie ihn gar nicht zu benennen. In Doraville gab es nur einen.
»Na dann...«
Der neue Besucher war genauso unsicher wie Barney selbstsicher war. Er war
klein, knapp 1,72 m groß, blass und dünn, mit der samtenen
Haut und dem seligen Lächeln eines Babys. Er gab unseren im Gehen befindlichen
Besuchern die Hand, bevor er sich uns zuwandte.
»Ich bin
Pfarrer Doak Garland«, sagte er, und wir vollzogen das Ritual des
Händeschüttelns erneut. Ich war schon ganz müde von all den Begrüßungen. »Ich
betreue die Gemeinde der Mount Ida Baptist Church an der Route. Ich bin diese Woche der
Krankenhauspfarrer. Die hiesigen Pfarrer wechseln sich ab, und Sie haben das
Pech, auf mich zu treffen.« Er lächelte
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