Harper Connelly 03 - Ein eiskaltes Grab-neu-ok-14.12.11
Hals.
Er trug dicke
Stiefel und eine dicke Jacke, Mütze, Handschuhe und einen Schal. Wenigstens er
war dem Wetter entsprechend gekleidet.
»Was wollen Sie
hier?«, fragte er. »Denken Sie, Sie haben etwas übersehen?«
»Ja«, sagte ich.
Ich hatte keine überzeugende Geschichte auf Lager. »Ja. Ich habe mich gefragt,
ob ich etwas übersehen habe.«
»Sie glauben, hier
könnten irgendwo Menschenleichen liegen?«
»Das versuche ich
gerade herauszufinden.«
»Hier gibt es
keine. Die wurden alle ausgegraben, draußen, bei Daveys alter Farm.«
»Und du weißt
nichts von anderen Leichen?«
Seine Augen
begannen zu flackern, und ich hörte noch jemanden draußen. Gott sei Dank.
Die Scheunentür
ging auf, und mein »Bruder« kam herein.
»Hallo, Chuck«,
sagte er beiläufig. »Bist du fertig, Schatz?«
»Ja, ich denke
schon«, erwiderte ich. »Das Ergebnis ist negativ, genau, wie wir erwartet
haben.«
Chuck Almands
helle, leuchtende Augen fixierten die meinen.
»Sie brauchen
keine Angst vor mir zu haben«, sagte er.
»Das habe ich auch
gar nicht.« Ich versuchte zu lächeln. Es stimmte, direkt Angst hatte ich nicht
vor dem Jungen. Aber ich fühlte mich sehr unwohl in seiner Nähe und sorgte mich
irgendwie um ihn.
Dann hörte ich
eine andere Stimme von draußen rufen: »Chuck! He, Kumpel, bist du da drin? Wer
ist denn da?« Zu meinem Erstaunen veränderte sich Chucks Gesichtsausdruck
von einer Sekunde auf die andere, und der Junge boxte mich, so fest er konnte,
in den Magen. Seine Lippen bewegten sich dabei, das sah ich, während ich zu
Boden fiel.
»Raus hier!«,
schrie er. Ich kniete im kalten Lehm und starrte zu ihm hoch. »Raus hier! Das
ist Landfriedensbruch!«
Tom Almand eilte
durch die in ihren Angeln quietschende Tür.
»Junge! O mein
Gott, Chuck, was hast du getan?«
Tolliver war
bereits neben mir, um mir aufzuhelfen. »Du kleiner Hurensohn«, sagte er zu dem
vor mir stehenden Jungen. »Rühr sie nie wieder an. Sie hat dir nichts getan.«
Ich sagte nichts.
Ich starrte ihm nur in die Augen und hielt mir mit meinem gesunden Arm den
Bauch. Was, wenn er erneut zuschlug? Diesmal wollte ich darauf gefasst sein.
Doch es kam nur zu
einem erhitzten Wortwechsel. Tom Almand entschuldigte sich in einem fort, und
Tolliver machte deutlich, dass er nicht zulassen würde, dass mich noch einmal
jemand schlüge, und auch, dass er den Jungen nicht mehr in meiner Nähe sehen
wolle. Tom fand, wir hätten hier nicht einfach so eindringen dürfen. Tolliver
sagte, die Polizei sei froh gewesen, uns noch am Vortag hierherbringen zu
können. Tom ließ uns wissen, dass das nicht am Vortag gewesen sei und dass wir
verdammt noch mal sein Grundstück verlassen sollten. Tolliver sagte, wir würden
der Aufforderung liebend gern Folge leisten, und er könne noch von Glück sagen,
dass wir nicht die Polizei riefen, um seinen Sohn wegen Körperverletzung
anzuzeigen.
Ich stützte mich
auf Tolliver, während dieser mir zum Wagen half. Er war vollkommen außer sich.
Er musste sich schwer beherrschen, um nicht zu sagen: »Habe ich dich nicht
gewarnt?« Er drohte gleich zu platzen. Aber dann schaffte er es doch, es nicht
auszusprechen.
»Tolliver«, sagte
ich, als wir sicher im Wagen und auf dem Rückweg zur Hütte waren.
Er unterbrach sein
wildes Fluchen. »Ja?«
»Gleich nachdem er
mich geschlagen hat und unmittelbar bevor er anfing, mich anzuschreien, hat der
Junge gesagt, ›Es tut mir leid. Finden Sie mich später‹«, sagte ich.
»Ich habe nichts
dergleichen gehört.«
»Er hat es ganz
leise gesagt, eben damit du nichts hörst. Damit auch sein Vater nichts hört.«
»Er hat gesagt,
dass du ihn finden sollst?«
»Er hat gesagt,
dass es ihm leidtut. Dann hat er gesagt, dass ich ihn später finden soll.«
»Er ist also
schizophren? Oder will er seinem Vater weismachen, dass er schizophren ist?«
»Ich glaube, er
versucht seinem Vater etwas weiszumachen. Was, weiß ich nicht genau.«
Die restliche
Fahrt zur Hütte schwiegen wir. Ich wusste nicht, was in Tolliver vorging, war
aber vollauf damit beschäftigt, das Erlebte zu verarbeiten.
Als wir wieder
oben vor der steilen Auffahrt parkten, konnten wir feststellen, dass bei den
Hamiltons alles ruhig war, bis auf den Rauch, der aus dem Kamin stieg. Vielleicht
machten sie ein Nickerchen. Die Idee gefiel mir.
»Ich bin nicht
gerade stolz auf mich, dass ich so denke wie eine Siebzigjährige«, grummelte
ich, während wir die Auffahrt hinunter zum Treppenaufgang gingen.
»Oh,
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