Harper Connelly 03 - Ein eiskaltes Grab-neu-ok-14.12.11
sagt mir, was sie eigentlich hat.
Ich dachte, die Medizin wäre da heute weiter.«
»Hast du deine
Verwandtschaft benachrichtigt?«
»Meine Mutter ist
schon unterwegs. Aber bei den jetzigen Straßenbedingungen wird sie es nicht von
Tennessee bis hierher schaffen, bevor Großmutter gestorben ist.«
Das war ja
furchtbar. »Deine Mutter überlässt dir also die Entscheidungen?«
»Ja. Sie sagt, sie
weiß, dass ich das Richtige tue.«
Wie schön, wenn
eine Mutter so etwas sagt, aber was für eine Verantwortung!
»Ich dachte«,
sagte Manfred nach einer langen Pause, »dass ihr mir vielleicht einen Rat geben
könnt, wenn ihr bei ihr wart.« Er sah mich dabei an und klang sehr ernst. Nach
einem kurzen Moment begriff ich, was er meinte. Er wollte wissen, ob ihre Seele
noch da war.
Gut. Alles in mir
sträubte sich dagegen, aber ich nickte.
Er zeigte mir die
Tür zur Intensivstation, die bei so einem kleinen Krankenhaus natürlich recht
winzig war. Wahrscheinlich wäre es besser, Xylda in ein größeres Krankenhaus
mit mehr Apparaten verlegen zu lassen - denn darauf lief es doch letztendlich
hinaus? Aber es gab keine Möglichkeit, sie dorthin zu transportieren. Die Natur
hatte wieder einmal über die Technik gesiegt. Das schien mir jedoch
verwunderlich, als ich all die Apparate sah, an die Xylda Bernardo angeschlossen
war. Sie registrierten alles, was in ihr vorging. Und doch musste Manfred, wenn
er etwas so Einfaches wissen wollte, wie ob sich die Seele seiner Großmutter
immer noch in ihrem Körper befand, mich bitten, dies herauszufinden.
Ich ergriff kurz
Xyldas schlaffe Hand, aber das wäre gar nicht nötig gewesen. Xyldas Seele war
nach wie vor da. Das tat mir fast leid, denn für ihre Familie hätte es die
Entscheidung erheblich vereinfacht, wenn ihre Seele sich bereits von ihr gelöst
hätte.
Barney Simpson
steckte mit einem fragenden Blick den Kopf herein.
»Ich dachte, wir
hätten Sie vor die Tür gesetzt«, sagte er leise, aus Respekt vor der reglosen
Gestalt auf dem Bett.
»Sie besuchen auch
Patienten auf der Intensivstation?«
»Nein, aber die
Angehörigen dieser Patienten. Ich habe gesehen, dass jemand bei ihr ist, also
ging ich nachsehen.«
»Ich habe nur kurz
ihren Enkel abgelöst«, sagte ich.
»Sie sind eine
gute Freundin. Das ist die andere Dame, stimmt's?«
»Ja, Xylda Bernardo, die
Hellseherin.«
»Sie hat der
Polizei das mit Chuck Almand gesagt.«
Nach kurzem Zögern
nickte ich. Das entsprach mehr oder weniger der Wahrheit.
»Ja.«
»Was für eine
außerordentliche Gabe«, sagte Simpson. Er fuhr sich in dem vergeblichen
Bemühen, es zu zähmen, mit der Hand durch sein dichtes Haar.
»Sie ist wirklich
etwas ganz Besonderes«, sagte ich. Ich ging auf die Tür zu, um Manfred Bericht
zu erstatten. Simpson trat einen Schritt zurück, um mich vorbeizulassen. Eine
Schwester betrat an uns vorbei Xyldas Zimmer. »Sie schon wieder«, sagte sie zu
Simpson. »Sie werde ich heute wohl gar nicht mehr los.«
»Nein. Mein Auto
ist zugefroren«, sagte er lächelnd.
»Oh, sie sind also
gar nicht freiwillig hier«, erwiderte sie.
»Ich würde liebend
gern nach Hause fahren.«
Dasselbe galt auch
für mich.
Als ich wieder bei
Manfred war, hatte Barney Simpson seine Runde bereits fortgesetzt.
»Sie ist nach wie
vor intakt«, sagte ich. Manfred schloss die Augen, ob aus Verzweiflung oder
Dankbarkeit, wusste ich nicht.
»Dann werde ich
hier bei ihr warten«, sagte er. »Solange, bis sie geht.«
»Was können wir
für dich tun?«, fragte Tolliver.
Manfred sah ihn
mit einem Gesichtsausdruck an, der mir beinahe das Herz brach. »Nichts«, sagte
er. »Wie ich sehe, hast du sie erobert. Aber es ist schön, mit euch beiden
befreundet zu sein, und ich bin wirklich dankbar, dass ihr die Strapazen auf
euch genommen habt, zu uns in die Stadt zu kommen. Wo wohnt ihr?«
Wir erzählten ihm
von der Hütte am See. Er lächelte über die Geschichte mit den Hamiltons. »Wann
fahrt ihr wieder?«, wollte er wissen. »Ich nehme an, die Polizei hat euch die
Erlaubnis dazu gegeben?«
»Wahrscheinlich
morgen«, sagte ich. »Aber vorher schauen wir noch mal im Krankenhaus vorbei.
Bist du sicher, dass ich dir nichts mitbringen kann?«
»Da es im
Krankenhaus immer noch Strom gibt«, sagte Manfred, »ist es vielleicht genau
andersherum. Die haben hier warmes Essen. Die Cafeteria ist geöffnet.«
Das Wort
»Krankenhauscafeteria« klang nicht besonders verlockend, aber »warmes Essen«
dafür umso mehr. Wir überredeten
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