Harpyien-Träume
Abendbrot zu Bett. Doch war es tatsächlich eine Zauberbohne, und während der Nacht geriet sie ins Sprießen und wuchs ein Stück.«
Die Bohne auf der Bühne fing zu sprießen an und wuchs schnell zu einer riesigen Bohnenstange aus. Das war wieder Metria, die ihre Gestalt wandelte. Die Bohne hatte schon bald die Größe eines ausgewachsenen Baumes angenommen.
»Tatsächlich wuchs sie bis zu den Wolken hinauf«, sagte Mark. Die Bohne vernebelte sich ein Stück und wurde zu einer Wolke, welche die Bühne samt Riesen und allen anderen verschleierte. »Und als Jakob das am Morgen sah, beschloß er, nachzusehen, was oben auf dieser Wolke sein mochte. Deshalb kletterte er an der Bohnenstange hinauf und kam oben auf der Wolke heraus.«
Die Wolke auf der Bühne teilte sich und gab Jakob frei, der sich soeben aufrichtete, als wäre er von unten hochgestiegen. Er schirmte die Augen mit der Hand ab, als würde er sich umschauen.
»Und dort auf der Wolke war ein riesiges Schloß«, erzählte Mark. Die Wolke wurde immer dünner und gab ein improvisiertes Schloß mit Mauern aus Mauerblümchen und einem Hauptturm frei, der aus der Schachtelesche bestand. Der größte Teil des Bauwerks ruhte auf Griesbogen, als würde dieser das Fundament darstellen. In Anbetracht der Umstände sah alles ziemlich beeindruckend aus.
»Und so begab sich Jakob zu dem Schloß, um nachzusehen, was er dort vorfinden würde«, sagte Mark.
Jakob ging darauf zu und öffnete ein schwankendes Mauerblümchen, um das Innere freizulegen. »Glücklicherweise schlief der Riese in diesem Augenblick.« Vor ihm erschien Griesbogens Gesicht, über mehrere Bettkäfer erstreckt, und schnarchte gewaltig.
Jakob schlich sich auf Zehenspitzen um das schlafende Gesicht, und dort, auf einem Berg von zwanzig Federkissen, die auf der Hand des Riesen ruhten, saß Gloha und blickte verzweifelt drein.
»Da entdeckte er im Riesenschloß die Gefangene des Riesen, eine Prinzessin«, fuhr der Erzähler fort. »Sie war ans Bett gefesselt und alles andere als glücklich darüber.«
»Wer bist du?« fragte Jakob.
»Ich bin eine gefangene Prinzessin«, erwiderte Gloha. »Wie du an meinem schmucken Federumhang erkennen kannst.« Sie bewegte die Flügel ein winziges Stück.
»Was tut denn eine nette Prinzessin wie du an einem solchen Ort?«
»Der Riese will mich heiraten, aber ich würde mich eher in kleine, zuckende Stücke zerhacken lassen«, erwiderte sie.
»Deshalb hat er mich an dieses ungeheuer unbequeme Bett gefesselt.« Sie deutete auf den Kissenberg.
»Aber die sehen doch sehr weich aus«, wandte Jakob ein.
»Sind sie auch. Aber darunter hat er eine Bohne gelegt. Eine halbe Erbse hätte ich ihm ja vielleicht noch durchgehen lassen, aber eine ganze Zauberbohne? Das war einfach zuviel. Schau mal, ich bin schon blau und grün.«
Hämisches Kichern im Publikum, denn natürlich war Glohas Körper kobolddunkel.
»Aber ich habe ihn reingelegt, glaube ich«, fuhr sie fort. »Ich habe mich von einer Seite auf die andere gewälzt, bis die Bohne hinausgekullert und von der Wolke gefallen ist. Jetzt kann ich ein bißchen bequemer schlafen. Aber natürlich stöhne ich immer wieder mal ein bißchen, damit der Riese glaubt, daß ich mich immer noch quäle.«
»Das war also die Bohne, gegen die ich meine Lochkuh eingetauscht habe!« rief Jakob.
»Pst! Du weckst noch den Riesen auf!«
Tatsächlich geriet das Gesicht des Riesen in Bewegung, und er schnaubte. Jakob und die Prinzessin hielten sich verzweifelt den Mund, bis nach einer Weile das Schnarchen wieder einsetzte.
»Ich muß dich unbedingt vor diesem Schicksal erretten«, sagte Jakob galant. »Laß mich dich losbinden, dann nehm' ich dich mit zu mir nach Hause.«
»Oh, losbinden kannst du mich nicht«, widersprach die Prinzessin. »Das hier ist ein magischer Strick.« Sie hob ihr Handgelenk und zeigte ihm den Strick, der lose daran hing. »Den kann nur der Riese aufknüpfen. Aber er tut es natürlich nicht. Es sei denn, ich willige ein, ihn zu heiraten.«
»Wie kann ich dich dann retten?« wollte Jakob verwundert wissen.
»Du mußt den Frosch dazu bringen, dir zu helfen.«
»Den Frosch?«
»Der Frosch kann eine kostbare goldene Flasche beschaffen, in der sich das einzige befindet, wovor der Riese sich fürchtet«, erklärte Gloha. »Deshalb hat er die Flasche auch in den Brunnen geworfen, weil er glaubte, daß niemand sie dort finden würde. Aber der Frosch weiß davon.«
Mark trat wieder vor. »Also begab Jakob sich
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