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Harpyien-Träume

Titel: Harpyien-Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
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anderes.«
    »Und so brachte Jakob die Flasche zu dem schlafenden Riesen«, erklärte der Erzähler, während Jakob es auch tat. »Er öffnete die Flasche, aus der ein bedrohlicher Dampf entwich.«
    Und tatsächlich, der Dampf strudelte, verdickte sich und gab etwas frei – nämlich den Erzähler in einem spitzen Horrorhut. Er vollführte mit klappernden Knochen den Totentanz. »Ich bin der Tod«, sagte der weiße Schädel. »Ich bin gekommen, um dich zu holen, Riese!«
    »Wer?« fragte der Riese verständnislos.
    »Der Tod. Ich war in dieser Flasche eingesperrt, aber jetzt bin ich wieder frei und kann meinem Geschäft nachgehen. Wenn ich eine Dryade aus ihrem Baum hole, lasse ich nur Totholz zurück. Und jetzt bin ich gekommen, um dich zu holen. Also mach dich auf dein Ende gefaßt.«
    »Oooh!« stöhnte der Riese. Dann brach er in Tränen aus. »Ach, was bin ich froh, daß meine Mutter, die Königin der Riesen, mich jetzt nicht sehen kann – mögen ihre königlichen Knochen gesegnet sein! Ich wollte sie doch nur glücklich machen, indem ich nicht unter meinem Stand heirate, und jetzt muß ich statt dessen mit dem Tod davonziehen! Ach, weh mir!«
    »Das ist ein Prinz?« fragten die Prinzessin und der Frosch im Chor.
    »Sieht so aus«, bemerkte Jakob. »Aber keine Sorge. Der Tod wird ihn gleich zu einem zappelnden Nichts machen, dann sind wir den Heini los.«
    »Nicht so schnell, Kumpel«, sagte der Frosch.
    »Ich heiße Jakob.«
    »Nicht so schnell, Jakob. Ich will, daß er mich erst küßt.«
    »Und mir tut es leid, daß wir ihn zum Weinen gebracht haben«, warf die Prinzessin ein. »Ich wußte ja nicht, daß er von königlichem Geblüt ist. He, Prinz Riese! Wärst du vielleicht glücklicher, wenn ich dich doch noch heirate?«
    Der Riese erwachte. »O ja«, sagte er und wirkte sofort ein bißchen heiterer.
    »Aber erst mußt du mich küssen«, meinte der Frosch.
    »Einen Augenblick mal«, sagte die Prinzessin. »Wenn er dich küßt und du wieder zu einer Prinzessin wirst, dann will er vielleicht dich statt meiner heiraten.«
    »Machst du Witze?« fragte der Frosch. »Ich habe zu Hause einen Prinzenfreund. Mein Vater mag ihn nicht. Deshalb hat er mich ja verzaubert, damit ich meinen Freund nicht heirate. Er hat sich gedacht, mein Freund würde mich nie wiederfinden und mich freiküssen, bevor ich alt und häßlich geworden bin. Aber jetzt können wir abhauen, bevor mein Vater was merkt, und dann ist es zu spät für weitere Verzauberungen.«
    »Aber ich wollte doch die Prinzessin heiraten«, protestierte Jakob.
    Prinzessin und Frosch brachen in Gelächter aus. »Du? Ein Bauer? Eine Prinzessin heiraten? In was für einer Märchenwelt lebst du denn, Kumpel?« wollte der Frosch wissen.
    »Na ja, irgend etwas muß ich aber für meine Bemühungen kriegen«, antwortete Jakob ziemlich ratlos.
    »Dann nimm einen Sack voll Gold und hau ab«, sagte der Riese und warf ihm einen winzigen Sack zu, der aber so groß war, daß Jakob ihn kaum schleppen konnte.
    Der Tod nahm seinen Hut ab, der Erzähler setzte den seinen wieder auf. »Und so küßte der Riese den Frosch«, sagte er, während der Riese es tat und der Frosch sich zu einer außerordentlich üppigen Prinzessin mit einem ebenso außerordentlich tiefen Ausschnitt aufblähte. »Und dann gab er die andere Prinzessin frei, woraufhin sie den Riesen küßte.« Nun flog Gloha hinauf, um sich auf Griesbogens Unterlippe niederzulassen und seine Oberlippe zu küssen. »Und so lebten sie fast bis in alle Ewigkeit glücklich und zufrieden zusammen. Jakob brachte seiner Mutter den Sack voll Gold nach Hause, die einigermaßen zufrieden reagierte, wenn man bedenkt, daß es kein größerer Sack war, und auch die Bauernmädchen im Dorf fanden Jakob plötzlich sehr viel anziehender als vorher, als er noch arm gewesen war. Und der Tod konnte, nachdem er endlich aus seiner Flasche befreit worden war, wieder seinem üblichen Geschäft nachgehen, wie viele von euch schon noch merken werden.« Er verneigte sich vor dem Publikum. »Wir hoffen, unsere Darbietung hat euch gefallen«, fuhr er mit einem lippenlosen Grinsen fort.
    Die zynischen Fluchungeheuer versuchten sich unbeeindruckt zu geben. Doch dann bekam die Fassade Risse. Ein Mitglied der Schwarzen Welle fing an zu klatschen, dann taten es ihm einige andere gleich. Gloha sah, daß der erste Beifallspender Sherlock gewesen war, dem sie mit der Gruppe von Magier Trent bei ihrem Ritt auf Schnellschlamm begegnet war. Einige Leute in seiner

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