Harpyien-Träume
unterscheiden kann. Deshalb muß ich die gebrauchten Nymphen aufheben.«
Metria schüttelte den Kopf. Dann trat sie wieder durch Veleno hindurch, der ziemlich benommen wirkte. Sie hob Griesbogen auf und setzte ihren Marsch durch den Gang fort.
»He, warte mal!« rief Veleno in dem Bemühen, wenigstens den Anschein von Initiative wiederzuerlangen. »Du kannst diesen Elf nicht einfach mitnehmen! Der hat doch meinen Schlüssel!«
»Und ob er den hat«, bestätigte sie und beschleunigte dabei ihr Tempo, wobei Griesbogen immer wieder leicht gegen ihren Busen geschleudert wurde. Doch der war zum Glück so weich, daß es ihm nichts anhaben konnte – im Gegenteil.
»Das wirst du nicht tun!« sagte Veleno und machte sich auf die Verfolgung.
Metria fing an zu rennen. Sie kam an eine Treppe, huschte hinauf, schlug oben auf dem Treppenabsatz einen Bogen und bestieg gerade die zweite Treppenflucht, als Veleno die erste erreichte.
Er hob den Blick und stolperte plötzlich. Griesbogen begriff, daß der Mann aus diesem Winkel offenbar einen Blick auf die dämonischen Höschen geworfen haben mußte, was ihn entsprechend betäubt hatte. Metria zog wirklich sämtliche Register!
Doch kurz darauf vernahmen sie, wie Veleno die Verfolgung fortsetzte. Da er nicht mehr sehen konnte, was er eigentlich auch nicht sehen durfte, konnte er sich nun wieder an seine ursprüngliche Absicht erinnern. Allerdings hatte Metria inzwischen einen erklecklichen Vorsprung, und sie bewegte sich nach wie vor sehr schnell.
»Ich wünschte, ich könnte eine beseelte Kreatur sein, und wär's auch nur für eine Stunde«, sagte sie. »Gerade lange genug, um herauszufinden, was Liebe ist.«
»Das wünschte ich mir auch für dich, Metria«, erwiderte Griesbogen. »Egal aus welchem Grund, auf jeden Fall bist du mir behilflich, und das weiß ich zu schätzen. Ich wünschte, ich könnte dich irgendwie dafür belohnen.«
»Das wünschte ich mir auch. Aber ich schätze, die Liebe muß ich wohl ganz allein lernen.«
»Das glaube ich auch. Vielleicht schaffst du's ja irgendwann.«
Sie gelangten in den oberen Trakt, jenes Stockwerk, in dem Trent und Mark eingesperrt waren. Allerdings gab es da ein Problem: In ihrer Eile hatte Metria einen anderen Rückweg genommen, deshalb befanden sie sich nun in einem Gang, der nicht an der fraglichen Zelle vorbeiführte. Metria schaute sich um und suchte nach dem richtigen Weg, doch schien es keinen zu geben. Veleno dagegen holte langsam auf und kam näher.
»Befreit uns! Ach, befreit uns doch!« riefen die eingesperrten Nymphen dort im Chor. Aber die Dämonin beachtete sie nicht, sondern suchte weiterhin nach einem Verbindungsgang.
»Wo, zum Teufel, ist es bloß?« rief sie. »Ich habe dieses Stockwerk nicht sorgfältig genug erkundet. Ich selbst könnte zwar mühelos hinüberhuschen, aber du bist der einzige, der den Schlüssel halten kann.«
»Vielleicht führt dieser Gang ja weiter bis zu Glohas Zelle«, meinte Griesbogen. »Dann könnten wir sie zuerst freilassen und uns danach um die anderen kümmern.«
Da kam Veleno in Sicht. »Ha!« schrie er. »Hab' ich euch?«
»Bestimmt nicht, du Penner«, rief Metria. Sie stampfte mit den Füßen auf, fuhr herum und stürmte los, wobei sie sich wieder dem vor ihnen liegenden Gang zuwandte und beschleunigte. Als sie schließlich die Wendeltreppe gefunden hatte, jagte sie hopsend die Stufen hinauf, während Griesbogen sich verzweifelt an den Schlüssel klammerte.
Endlich kamen sie oben an. Vor ihnen lag Glohas Zelle. »Wir haben den Schlüssel!« keuchte Griesbogen, während Metria abrupt vor der Tür stehenblieb.
»Oh, das ist ja wunderbar!« rief Gloha. »Aber wer bist du denn?«
Griesbogen begriff, daß sie ja noch nichts von seiner Verwandlung wußte. »Ich bin Griesbogen Riese. Trent und Mark sind bei dem Versuch, dich zu befreien, in Gefangenschaft geraten. Da habe ich Trent berührt und mich von ihm in diese Gestalt verwandeln lassen, um die Schlüssel zu holen.«
»Griesbogen!« wiederholte Gloha erstaunt. »Hast du dich aber verändert!« Sie musterte ihn etwas eingehender. »Aber du trägst doch seine Züge. Ich meine, deine Züge.«
»Unschön«, bestätigte er ohne Wehleidigkeit. »Es spielt meist keine große Rolle, wie ein unsichtbarer Riese aussieht.«
Metria hielt Griesbogen eine Zeitlang hoch, während er den Schlüssel ins Schloß steckte. Dann half sie ihm, den Schlüssel zu drehen, wie sie es schon einmal getan hatte. Das Schloß klickte.
Griesbogen
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