Harpyien-Träume
Naivität auszunutzen, um dich mit einem Kniff dazu zu bringen, gegen deinen Eid zu verstoßen. Und wenn mir auch der Kompromiß, den du mit dem Besitzer dieser Burg eingegangen bist, nicht so recht behagt, muß ich mich doch an die Abmachung halten, die du getroffen hast, und darf ihm nicht mit Feindseligkeit begegnen. Daher ist meine Gefangenschaft sinnlos geworden.« Er drückte gegen die Tür, und sie schwang auf.
Gloha fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. »Wie ist die denn aufgesperrt worden?«
Mark hob einen krummen Knochen. »Skelettschlüssel«, erklärte er. »Ich habe gelernt, mich anzupassen. Ich wünschte, ich wäre schon früher darauf gekommen, bevor Griesbogen in Gefangenschaft geriet, aber mein Hohlkopf macht mir manchmal Schwierigkeiten, wenn es ums Denken geht. Als es mir schließlich wieder einfiel, hielt ich es für das beste, erst mal abzuwarten, um genau in Erfahrung zu bringen, was in dieser Burg eigentlich los ist.«
»Du meinst, ihr hättet auch freikommen können, ohne den Eid zu leisten – wenn ich ihn nicht schon abgeleistet hätte?« fragte Gloha bestürzt.
»Das stimmt«, bestätigte Trent. »Aber die Entscheidung darüber oblag dir. Schließlich ist es ja auch deine Suche.«
Gloha schüttelte den Kopf. Sie konnte nur hoffen, daß Metrias Entscheidung, Veleno zu heiraten zum gewünschten Ergebnis führte. Andernfalls hätte die Dämonin möglicherweise viel mehr Unheil gestiftet, als ihr selbst bewußt sein mochte.
Sie begaben sich nach unten. Gloha suchte das stille Örtchen auf; dann schaute sie sich den Rest des Erdgeschosses an. Es schien ein recht geschickt entworfenes Gebäude zu sein, aber es war sehr still, weil es keine Dienstboten gab. Im Speisesaal der Burg hatte Veleno bereits mehrere Pasteten von den Pastetensträuchern im Burghof aufgetragen. Der Speiseplan ließ zwar etwas zu wünschen übrig, aber man würde sich damit nun mal begnügen müssen.
»Ich werde meine Portion mit nach oben nehmen, um mit Griesbogen zusammen zu speisen«, erklärte Gloha. Sie wäre zwar viel lieber unten bei Trent geblieben, doch der Riese bedurfte ihrer Gesellschaft mehr als der Magier. Sie legte den Schlüsselring auf den Tisch, damit Veleno ihn dort wiederfand, und machte sich auf den Weg.
»Ich werde hier auf Veleno warten«, sagte Trent und nahm Platz, um sich über seine Pastete herzumachen.
»Und ich werde die Nymphen freilassen«, verkündete Mark. »Die brauchen auch keine Eide abzuleisten, die sind harmlos.« Er nahm den Schlüsselring. »Außerdem haben sie was für Hochzeiten übrig.«
Gloha war sich da nicht so sicher. Schließlich war jede der Nymphen für eine Nacht mit Veleno verheiratet gewesen.
Gloha stieg hinauf in das höchstgelegene Burgzimmer. Griesbogen hatte kaum damit begonnen an seiner Pastete zu knabbern. Nicht, daß er keinen Hunger gehabt hätte – er war einfach zu schwach. Genau das hatte Gloha auch befürchtet.
»Komm, ich werde dir helfen.« Sie nahm neben ihm am Boden Platz. Sie fragte ihn gar nicht erst, ob er Hilfe haben wollte, sondern nahm den Löffel und fütterte ihn. Zwischendurch aß sie selbst etwas von ihrer eigenen Pastete.
»Danke«, sagte Griesbogen schließlich. Er schien sich ein wenig erholt zu haben. »Tut mir leid, dir diese Umstände machen zu müssen.«
»Ich wünschte, ich könnte dich mit irgend etwas füttern, das dich stärken würde«, sagte sie wehmütig.
»Ich bin einfach nur froh, daß ich dich kennenlernen durfte.«
»Danke.« Sie beugte sich vor und küßte ihn aufs Ohr. Dann hob sie ihn hoch und trug ihn vorsichtig ins Erdgeschoß hinunter. Sie wollte ein Auge auf ihn halten, obwohl sie nicht wußte, was sie unternehmen konnte, sollte sein Zustand sich verschlechtern.
Mittlerweile waren die Hochzeitvorbereitungen in vollem Gange. Sämtliche Räume waren beleuchtet. Überall schwärmten Nymphen umher und halfen bei den Vorbereitungen. Mark Knochen beaufsichtigte den Bau von Tischen und Bänken, während Metria Anweisungen zur Dekoration erteilte. Die Nymphen fanden offenbar nichts Ungewöhnliches daran, daß eine Dämonin und ein Skelett das Geschehen überwachten. Da ihr Gedächtnis nicht einmal bis zum Vortag zurückreichte, glaubten sie wahrscheinlich sogar, daß dies der normale Lauf der Dinge sei.
Trent mußte eine der Pflanzen im Hofgarten in einen Stoffbaum verwandelt haben, denn einige der Nymphen waren damit beschäftigt, grellbunte Stoffbahnen zu zerreißen und sie als Dekoration aufzuhängen. So
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