Harpyien-Träume
verläßt uns.«
»Was?« Aber sie wußte schon, was Trent damit meinte. Sie wandte sich zur Seite und schaute den Elf-Riesen an.
Der war immer blasser geworden und schien einer Ohnmacht nahe zu sein. Die Anstrengung der Flußfahrt hatte seinen winzigen verbliebenen Kräftevorrat aufgezehrt.
Gloha war entsetzt und niedergeschlagen. Wozu diese Reise mit all ihren Strapazen, wenn Griesbogen doch noch verschied, bevor die Verpflanzungspflanze Gelegenheit bekam, ihn zu heilen?
»Was sollen wir tun?« fragte sie klagend.
»Wir können nichts tun«, erwiderte Trent ernst. »Aber du kannst viel tun.«
»Das verstehe ich nicht!«
»Sag ihm die Wahrheit.«
»Ich habe ihm nichts vorgelogen, und auch sonst niemandem!«
»Bis auf dir selbst, vielleicht.«
Manchmal konnte der Magier ganz schön nervtötend sein. Wovon redete er überhaupt?
»Wobei war ich denn nicht ehrlich?« wollte Gloha wissen. »Und wieso sollte das Griesbogen schaden?«
»Dein Gefühl.«
»Mein Gefühl? Ich möchte, daß er geheilt wird, damit er überlebt und wieder ein Riese werden kann.«
»Dann sag ihm das.«
Gloha schüttelte den Kopf. Sie war verärgert und verwirrt zugleich. Griesbogen lag im Sterben, und da sollte sie ihm noch eine glückliche Riesenschaft wünschen? Und doch mußte sie irgend etwas sagen.
»Ich kann ihm die Wahrheit nicht sagen«, preßte sie mühsam hervor. »Es würde ihm nur weh tun und mich verletzen. Und dich.«
»Das bezweifle ich«, erwiderte Trent gelassen.
»Dann hör du es dir zuerst an!« fauchte sie. »Ich bin… fasziniert von dir, und wenn ich die Wahl hätte, würde ich eine Menschenfrau werden und alles mit dir tun, was du mit Cynthia vorgehabt hast!«
So. Jetzt war es endlich heraus, egal, wie groß der Schaden sein mochte, den ihre Worte anrichteten.
Trent schien unbeeindruckt. »Das glaube ich nicht.«
»Weil du nicht interessiert bist«, ergänzte Gloha stumpf.
»Oh, das bin ich sehr wohl.«
»Deswegen amüsiert es dich bloß, wenn…« Sie hielt inne. »Was hast du da gesagt?«
»Du bist wunderschön, unschuldig, fürsorglich, treu, und du meinst es ernst. Du bist eine Frau, wie jeder Mann sie nur lieben kann. Du bist etwas ganz Besonderes. Ich würde dich nur zu gern in eine ausgewachsene Menschenfrau verwandeln.«
Sie starrte ihn an. »Du… du erwiderst mein Interesse?«
»Ja. Ich bin ebenso fasziniert von dir, wie du es von mir bist. Wir könnten wunderbare Zeiten miteinander verleben.«
Gloha schüttelte den Kopf. »Verzeih mir, Magier, aber das kann ich nicht glauben.«
»Glaub es nur. Aber begreife bitte auch alles andere: Es würde nicht funktionieren. Weil meine Sicht der Dinge nicht die deine ist, und meine Freunde nicht die deinen. Außerdem bin ich ein Magier, du aber nicht. Ich lebe in einem anderen Reich, und das würde uns mit Sicherheit einander entfremden, nachdem die erste Begeisterung erst einmal abgeklungen ist. Du wirst es mir an Magie nie gleichtun können, und du würdest deine Herkunft verleugnen, würdest du dich mir anschließen. Dann würdest du deine Unfähigkeit zu fliegen verabscheuen und dich dafür schämen, daß du ausgerechnet jene Eigenschaft preisgegeben hast, die dich einzigartig macht: die Vereinigung der Kobolde und Harpyien in einer Person. Und deshalb wäre es eine törichte Affäre ohne jede Zukunft – selbst wenn ich nicht schon so alt und zudem verheiratet wäre. Das entspricht weder deinem wahren Wollen noch meinem.«
Sie erstarrte förmlich unter seiner harten und gräßlich erwachsenen Logik. Plötzlich erkannte sie, was es mit ihrem Traum auf sich hatte: Es war nur eine törichte Phantasie gewesen. Sie hatte es zwar schon immer gewußt, hatte es aber nie wahrhaben wollen. Jetzt aber konnte sie es nicht mehr leugnen. Sie durfte ihre Herkunft nicht verraten, nur um einer vorübergehenden Liebelei willen, gleich wie anziehend, intelligent oder magisch begabt der Mann auch sein mochte. Und Trent wiederum durfte die seine nicht verraten, obwohl er immerhin weit genug gegangen war, um Gloha zu beichten, daß er sich sowohl von ihr als auch von Cynthia angezogen fühlte. Er war körperlich zwar ein junger, gesunder Mann; er hatte ein Auge für schöne Frauen. Doch er verfügte über genügend Erfahrung, die ungeschminkte Wahrheit zu erkennen, und er hatte die nötige Disziplin, sich eher von seinem Verstand als von seinen Leidenschaften leiten zu lassen.
»Danke, Magier«, sagte Gloha schließlich. »Du hast mir den Kopf wunderbar
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