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Harpyien-Träume

Titel: Harpyien-Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
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verirrt hat«, erläuterte Rapunzel. »Wir hatten sie schon vor einer ganzen Weile bestellt, und wir habe sie auch andauernd erwartet, doch irgendwie ist sie nie eingetroffen. Und dann, als wir am wenigsten damit rechneten, war sie plötzlich da. Der Storch hat nicht mit uns persönlich gesprochen. Er ist ganz schnell wieder weggeflogen, als wäre er ziemlich erleichtert.«
    Trent schüttelte für alle zusammen den Kopf. »Ich dachte i m mer, ich hätte im Laufe meines Lebens schon eine Menge ung e wöhnlicher Dinge zu Gesicht bekommen, aber das überrascht mich nun wirklich. Hat sie ein Talent?«
    Grundy und Rapunzel tauschten mehrere Bruchstücke eines Blicks aus. »Nicht direkt«, meinte Grundy und machte dabei einen ziemlich unbehaglichen Eindruck.
    »Talent!« rief das winzige Kind. Plötzlich war sie ein ausgewac h senes Menschenkind, mit einem lieblichen Lächeln und einem schwarzen Lockenschopf. Rapunzel mußte sie schnell am Boden absetzen, wobei sie um ein Haar Grundy abgeworfen hätte.
    »Sie verändert ihre Größe!« rief Gloha. »Wie hübsch. Aber das liegt natürlich in der Familie.«
    »Nicht direkt«, erwiderte Rapunzel mit demselben unbehaglichen Blick, wie Grundy ihn eben aufgesetzt hatte. »Wir sprechen nicht gern darüber, weil…«
    »Ihr sprecht nicht gern über so ein prächtiges Talent?« fragte Gloha. »Warum denn nicht?«
    »Talent!« wiederholte Überraschung. Plötzlich fing ihr Haar zu wachsen an. Es kräuselte über ihre Schultern, wurde dunkelbraun, fuhr hinunter zu ihrer Hüfte, wo es hellbraun wurde, dann weiter zu den Knien, wo es rot wurde, bis es schließlich – blond – ihre Füße erreichte.
    Rapunzel sammelte es hastig ein, bevor es am Boden schmutzig werden konnte. Sie nahm mehrere Haarnadeln aus ihren eigenen Zöpfen und befestigte es, während das Kind zerstreut mit einem Kieselstein spielte, den es am Boden gefunden hatte.
    »Zwei?« fragte Gloha. »Ich dachte, daß niemand in Xanth mehr als ein Talent haben kann!«
    »Na ja, eins ist vielleicht nicht ein… Ich meine, sie schlägt zie m lich nach ihrer Mutter«, sagte Grundy.
    »Aber das ist trotzdem erstaunlich! Vielleicht hat sie doch zwei Talente.«
    »Talent!« sagte Überraschung zum drittenmal. Offensichtlich ha t te sie das Wort wieder aufgeschnappt. Sie hielt den Kieselstein hoch – und er verwandelte sich in einen Drachenzahn.
    Diesmal klappte Trents Kieferlade ebensoweit herunter wie die der anderen. »Gestaltwandlung von Gegenständen!« sagte er. »Ein drittes…« Doch er brach ab, als er sah, daß die beiden Eltern be i nahe in Ohnmacht gefallen wären.
    »Das ist aber wirklich eine Überraschung«, meinte Gloha. »Wie viele… was auch immer… hat sie denn?«
    »Nur eins, glauben wir«, antwortete Grundy. »Immer nur eins auf einmal, meine ich. Wir wissen vorher nie, welches das nächste sein wird.«
    »Oder ob wir es schon mal zu Gesicht bekommen haben«, fügte Rapunzel hinzu. »Das ist ganz schön enervierend.«
    Gloha konnte es ihr gut nachempfinden. »Jetzt verstehe ich, w a rum ihr sie Überraschung genannt habt.«
    »Überraschung!« rief das Kind und verschwand.
    Diesmal klappten die Kieferladen von Grundy und Rapunzel herab. »Oh, Mann«, sagte der Golem.
    »Das ist neu«, meinte seine Frau.
    »Ist sie unsichtbar – oder woanders?« wollte der Golem wissen.
    Rapunzel griff nach der Stelle, wo das kleine Mädchen soeben noch gestanden hatte. »Unsichtbar«, sagte sie erleichtert.
    »Bisher hat sie vor Fremden noch nie ein neues Talent entw i ckelt«, meinte Grundy mißtrauisch.
    »Vielleicht üben wir ja einen schlechten Einfluß aus«, versetzte Trent diplomatisch. »Wir müssen sowieso weiter.«
    »Ja, wir sollten vor Nachteinbruch bei der Flügelzentaurenfamilie sein«, fügte Gloha hinzu. Tatsächlich hatten sie in Wirklichkeit keinen solchen Zeitplan, doch wenn sie tatsächlich schuld daran waren, daß Überraschung Unheil stiftete, war es besser, so schnell wie möglich zu verschwinden, bevor etwas wirklich Schlimmes passierte.
    »Nachteinbruch«, rief die kindliche Stimme glücklich.
    Plötzlich war es Nacht. Nicht dunkel, sondern tiefste Nacht: Die Sterne schienen herab.
    »Lebt wohl«, sagte Trent ein wenig zögernd. »Wir legen einen Schuß zu. Die Sterne sind ja hell genug.«
    »Schuß! Stern!«
    Einer der Sterne löste sich vom Himmel und kam auf sie zu, e i nen Lichtschweif hinter sich her ziehend. »Hat da jemand meinen Namen gerufen?« wollte er wissen. »Den schieße ich tot!«

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