Harris, Charlaine - Aurora Teagarden 04 - Das Julius-Haus
Empfangshalle. Sie würde mich empfangen.
„Gehen Sie ruhig hoch“, sagte er. „Sie bekommt nicht viel Besuch.“
Der Aufzug roch wie eine Arztpraxis nach Reinigungsalkohol, Desinfektionsmittel und kaltem Stahl. Der Wächter hatte mir erzählt, hier lebe wirklich ein Arzthelfer, und natürlich gab es einen Bereitschaftsarzt. Es existierte im Haus eine Kantine für die, die sich für diese Dienstleistung „angemeldet“ hatten, und Lebensmittel konnte man sich von einem der Läden aus der Stadt liefern lassen. Alles war sehr sauber, und in der Empfangshalle saßen alte Leute, die zumindest geistig wach und behaglich aussahen, wenn schon nicht wirklich glücklich. Ich nahm an, wenn man nicht mehr auf sich allein gestellt leben konnte, war dies ein guter Ort zum Leben.
Mrs. Totinos Domizil lag im dritten Stock. Ich konnte am Abstand zwischen den Türen erkennen, dass einige Wohnungen größer waren als andere. Ihre gehörte zu den kleineren. Ich klopfte, und die Tür schwang auf, ehe ich meine Hand vollständig zurückgezogen hatte.
Ich konnte ihr in die Augen sehen, sie war also nicht viel größer als einen Meter fünfzig. Ihre Augen waren dunkelbraun und von Fältchen umgeben, die selbst wiederum von Altersflecken übersät waren. Sie hatte eine große Nase und einen kleinen Mund. Ihr dünnes, schneeweißes Haar rutschte aus einem kleinen Dutt an ihrem Hinterkopf. Sie trug keine Brille, was mich erstaunte. Ihr lächerlich fröhliches, gelb-orange gestreiftes Kleid wurde von einer grauen Strickjacke bedeckt, und die Luft, die nach draußen entwich, roch streng nach Lufterfrischer, Talkumpuder und Mittagessen.
„Ja?“ Ihre Stimme war tief und angenehm, nicht altersschwach, wie ich erwartet hatte.
„Ich bin Aurora Teagarden, Mrs. Totino.“
„Das hat Duncan schon gesagt. Was ist Duncan überhaupt für ein Name für einen Schwarzen? Das frage ich Sie.“ Sie wich in ihre Wohnung zurück, um anzuzeigen, dass ich eintreten sollte. „Das habe ich ihn auch gefragt“, sagte sie mit großer Freude an ihrem Mut. „Ich sagte: ‚Ich habe noch nie von einem Schwarzen namens Duncan gehört.’ Er sagte: ‚Was denken Sie denn, wie ich heißen sollte, Miz Totino? Leroy?’ Dieser Duncan! Ich habe so gelacht.“
Was für ein Schenkelklopfer. Ich wette, Duncan hat dasselbe gedacht.
„Setzen Sie sich.“
Ich sah mich nervös um. Es gab Sitzplätze, aber alles wirkte so drunter und drüber, dass ich nicht wusste, ob sie belegt waren. Die Couch und der passende Sessel waren von grell orangen, braunen und cremefarbenen Blüten bedeckt. Auf dem Tisch zwischen dem Sessel und der Couch befanden sich eine Fernsehzeitschrift, die hässlichste Lampe des Universums, eine rotweiße Glasschüssel mit Bonbons, eine Lesebrille, eine Packung Tempos und eine erstaunlich sentimentale Porzellanfigur von einem kleinen Mädchens mit großen Augen, das einen knuddeligen Hund streichelte, und die die Aufschrift „Mein bester Freund“ auf dem Sockel trug. Ich beschloss schließlich, eines der Sofakissen sei frei, und setzte mich behutsam darauf.
„Dieses Heim ist sehr hübsch“, sagte ich.
„Oh ja, die neuen Sicherheitssysteme machen einen großen Unterschied! Darf ich Ihnen Kaffee anbieten? Ich fürchte, ich habe nur löslichen, entkoffeinierten.“
Warum hatte man dann denn überhaupt Kaffee? „Nein, danke.“
„Oder Cola? Ich glaube, ich habe noch Cola im Kühlschrank.“
„Ja, danke.“
Sie ging gebeugt und unsicher. In dem zugestellten, winzigen Raum gab es zwei Türen, eine hinten links, die in die Küche führte, und eine auf der rechten Seite ins Schlafzimmer. Ich hörte, wie sie in der Küche umhertastete und vor sich hin murmelte, und nahm die Gelegenheit wahr, mich umzusehen.
An den Wanden hingen alle möglichen Dinge. Drei goldene Schmetterlinge, ein verhältnismäßig hübsches Bild von Blüten in einer Schale, zwei entsetzliche Drucke mit engelhaften Kindern und süßen Tieren, die niedlich sein sollten, ein Strohkorb mit getrockneten Blumen, der äußerst staubig aussah, ein Schild mit dem Gelassenheitsgebet … ich wurde ganz benommen von der Menge der Dinge, die sich der Betrachtung darboten. Ich dachte an all den Platz in unserem Haus und spürte, wie sich Schuldgefühle in mir regten.
Dann fiel mir der Fernseher auf. Er war die ganze Zeit an gewesen, aber ich hatte dem Bild keine Aufmerksamkeit geschenkt. Ich sah jetzt, dass das Bild die Empfangshalle des Hauses zeigte. Ein alter Mann mit Gehhilfe
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