Harris, Charlaine - Aurora Teagarden 04 - Das Julius-Haus
dachte ich wieder an den Mann, der auf mich zugerannt war, und jetzt, wo ich zu ermattet war, um Angst zu haben, hatte ich sein Gesicht deutlicher vor Augen. Als Martin den Youngbloods etwas über Sicherheitsvorkehrungen sagte, irgendetwas über die Büsche, erkannte ich, dass mir etwas an dem Mann vage bekannt vorgekommen war. Ich brachte ihn mit Baugewerbe und Gebäuderenovierung in Verbindung …
Das Telefon klingelte. Ich ging zum Tresen, um abzunehmen. Sally Allison wollte alles über die Skelette auf dem Dach wissen; sie war nicht in ihrem „Freundin“-, sondern im „Reporter“-Modus. Ich berichtete es ihr.
„Weißt du“, sagte sie, „die Polizei wird diesmal den forensischen Anthropologen hinzuziehen. Wusstest du, dass Georgia der einzige Bundesstaat ist, der einen forensischen Anthropologen auf der Gehaltsliste hat? Man hat ihn noch nie zu einem Fall in Spalding County gerufen. Er wird morgen eintreffen.“
„Wäre es nicht drollig“, sagte ich, „wenn es nicht die Familie Julius wäre?“
Grabesstille. Dann lachte Sally unsicher. „Wer sonst, Roe?“, fragte sie so vorsichtig, als rede sie mit einer Irren.
Ich dachte, wenn ich ausgeruht wäre, käme es mir in den Sinn, etwas Wichtiges. „Schon gut“, sagte ich. „Bis später, Sally.“ Ich legte auf, und das Telefon klingelte erneut. Ich kümmerte mich um diesen Anruf. Dann noch einen. Schließlich legte ich den Hörer daneben und schaltete den Anrufbeantworter ein.
Ich setzte mich zu den anderen, die sich die ganze Zeit leise beraten hatten.
„Roe“, setzte Martin an, und ich wusste, dass er mir gleich sagen würde, was ich zu tun hatte.
„Martin“, unterbrach ich. „Ich denke, Angel und ich nehmen uns ein paar Tage frei und fliegen nach New Orleans.“
Alle starrten mich an. Es war sehr amüsant.
„Ich weiß, dass du nach Guatemala musst, und ich schätze, Shelby sollte wieder auf der Arbeit erscheinen, ehe die Leute in der Fabrik anfangen, Fragen zu stellen, also wäre es das Beste, wo doch hier das Telefon den lieben langen Tag durch klingeln wird, wenn ich – und Angel, da du ja glaubst, dass ich eine Leibwächterin brauche – einfach irgendwohin verreisen. Ich denke, wir könnten nach New Orleans gehen. Es ist Jahre her, dass ich das letzte Mal dort war.“
Martin musterte mich argwöhnisch. Aber er sagte: „Das klingt gut. Angel, was sagst du?“
„Soll mir recht sein“, sagte Angel bedächtig. „Ich kann packen und in dreißig Minuten abfahrbereit sein.“
„Das gäbe mir Zeit, hier ein paar Sicherheitsvorkehrungen zu treffen“, sagte Shelby.
„Ich will hier keine bewaffnete Festung vorfinden, wenn ich zurückkomme“, sagte ich ihm.
Er sah Martin noch nicht einmal an; das hielt ich ihm zugute. „Ich werde nichts unternehmen, ehe ich nicht mit euch beiden geredet habe“, sagte er.
Ich nickte und stand entschlossen auf. Die Youngbloods erhoben sich und gingen in ihre Wohnung. Martin ging ins Wohnzimmer und warfeinen Blick durch den Spalt in den Vorhängen.
„Sie gehen wieder“, sagte er, ohne sich umzudrehen. „Die Polizei. Der Leichenwagen ist weg.“
Ich wartete.
Schließlich drehte er sich zu mir um. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Nichts ist so, wie wir es beabsichtigt hatten. Ich wollte uns ein gutes Leben bieten, für dich sorgen und mich um dich kümmern, und ich wollte nicht, dass du Schaden nimmst oder dir ein Leid geschieht. Ich dachte, ich könnte die Sache mit den Waffen von dir fernhalten. Ich dachte, ich würde in der Fabrik arbeiten und heimkommen, und du würdest mir erzählen, was auch immer dich gerade interessierte, und ich würde es genießen, und wir würden einander jede Nacht lieben.“
Wahrscheinlich hatte ich mir das alles auch so ungefähr vorgestellt.
„Es sieht so aus, als würden wir nicht ganz genau das bekommen.“ Ich ging zu ihm und legte die Arme um ihn, lehnte den Kopf an seine Brust. Er drückte mich so fest, ich dachte, ich würde quieken. „Wir werden dafür etwas anderes haben. Wenn du aus dieser Waffengeschichte rauskommst …“ dann haben wir eine Chance, beendete ich den Satz in Gedanken. „Aber“, setzte ich fort, „wir können immer noch einen Teil deiner Erwartungen erfüllen.“
„Hmm?“
„Wir können einander jede Nacht lieben.“
„Lass uns hochgehen.“
„Gute Idee.“
Liebe Leser, er trug mich.
New Orleans. In New Orleans fiel Angels zerschundenes Gesicht kaum auf. Angel folgte mir verdrossen durch das herrliche
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