Harris, Charlaine - Aurora Teagarden 3 - Drei Zimmer, Leiche, Bad
arbeiten.
Nur bedeutete ein Anruf bei Amina konkret ein Eingeständnis meiner Gefühle.
Was also war das für ein Gefühl? Liebe auf den ersten Blick? Überhaupt Liebe? Irgendwie schien sich das, was ich empfand, weniger in meinem Herzen, sondern erheblich tiefer abzuspielen.
Erstaunlicherweise war ich ja nicht die Einzige, die so empfand. Martin erging es offenbar ähnlich.
Das genau war das Schockierende an der ganzen Sache, dass diese überwältigenden Gefühle auf Gegenseitigkeit beruhten. Mein Leben lang hatte ich immer alles sorgfältig auseinandergenommen und berechnet, jetzt drohte mir Gefahr von etwas, das ich nicht zu kontrollieren vermochte und das mich hinwegzuschwemmen drohte.
Keine Kontrolle? Von wegen! Natürlich hatte ich mein Leben weiterhin im Griff, ich musste einfach nur jedem Treffen mit Martin Bartell aus dem Weg gehen.
Genau, das war die Lösung, eine ehrenwerte Lösung. Schließlich war ich mit Aubrey zusammen, einem liebenswerten, feinen, gutaussehenden Mann. Ich sollte mich glücklich schätzen.
Leider nur führte der Gedanke an Aubrey zu vielen weiteren, betrüblich vertrauten Überlegungen.
Wohin führte meine Beziehung zu Aubrey uns beide? Wir waren mittlerweile mehrere Monate zusammen, seine Gemeinde, zu der auch meine Mutter und ihr Gatte gehörten, rechnete sicherlich schon bald mit einem großen Ereignis. Aubrey wusste um meine Verwicklung in die Mordfälle im Zusammenhang mit dem Club Echte Morde, natürlich hatte ihm jemand davon berichtet. Mein Halbbruder Phillip und ich wären damals dank meiner Mitgliedschaft in einem Verein, der sich die Erörterung historischer Mordfälle auf die Fahnen geschrieben hatte, beinahe ums Leben gekommen. Aubrey konnte meine Faszination für Verbrechen nicht ganz nachvollziehen, wir hatten ein wenig darüber gesprochen. Aber im Großen und Ganzen schienen wir, zumindest in den Augen anderer, gut zusammenzupassen. Unsere Beziehung gehörte zu denen, über deren Zustandekommen sich niemand wunderte.
Warum auch? Aubrey und ich fanden einander anziehend, wir waren beide Christen (obwohl ich sicher keine so gute Christin war wie er), keiner von uns trank mehr als das eine oder andere Glas Wein, wir lasen beide gern, wir liebten Kinobesuche und Popcorn. Er hatte Vergnügen daran, mich zu küssen, und ich ließ mich gern von ihm küssen. Wir mochten und respektierten einander.
Aber eins wusste ich genau: Ich würde keine gute Pastorenfrau abgeben. Im Gegenteil: Als Pastorenfrau wäre ich die reine Katastrophe. Vielleicht nicht nach außen, aber ganz sicher innerlich. Inzwischen war das zweifellos auch Aubrey klargeworden. Ich war nicht die richtige Frau für ihn, und er wäre auch dann nicht der richtige Mann für mich, wenn er, sagen wir mal, Bibliothekar gewesen wäre.
Auf keinen Fall wollte ich jetzt etwas Schnelles und Drastisches unternehmen, das hatte Aubrey nicht verdient. Vielleicht erstarben meine heißen Gefühle für Martin Bartell ja ebenso schnell, wie sie aufgeflammt waren. Das hoffte eine Hälfte von mir aus ganzem Herzen. Solch überwältigende Gefühle, fand ich, hatten etwas Erniedrigendes.
Aber aufregend waren sie auch, gestand sich meine andere Hälfte ein.
Das Telefon klingelte, als ich gerade erneut in die Endlosschleife meiner Gedanken eintauchen wollte.
„Roe, geht es dir gut?“ Aubrey klang so besorgt, dass es mir wehtat.
„Ja, Aubrey, mir geht es gut. Hat meine Mutter dich angerufen?“
„Sie war erschüttert wegen der armen Mrs. Greenhouse und machte sich Sorgen um dich.“
Sorgen konnte man die Gefühle, die meine Mutter bewegten, vielleicht nicht nennen, aber Aubrey war nun mal ein netter Mensch und neigte zu positiven Interpretationen. Obwohl man ihn ganz sicher nicht als naiv bezeichnen durfte.
„Mir geht es wirklich gut“, versicherte ich erschöpft. „Es war einfach nur ein harter Vormittag.“
„Ich hoffe, die Polizei erwischt den Täter, und zwar schnell“, sagte Aubrey. „Wenn jemand da draußen herumläuft und es auf Frauen abgesehen hat, die allein unterwegs sind … nicht auszudenken! Bist du sicher, dass du ins Maklergeschäft einsteigen willst?“
„Wenn du mich so fragst: Nein, da bin ich mir nicht mehr sicher. Was allerdings nicht an Tonia liegt. Meine Mutter muss die ganze Zeit einen Taschenrechner mit sich rumschleppen.“
„Ach ja?“, erkundigte er sich vorsichtig.
„Sie muss dauernd über die aktuelle Zinsentwicklung informiert sein, sie muss auf der Stelle ausrechnen
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