Harris, Charlaine - Aurora Teagarden 3 - Drei Zimmer, Leiche, Bad
können, welche Zahlungen jemand zu leisten hat, wenn er einen bestimmten Betrag für sein Haus bekommt und den dann als Anzahlung auf ein neues Haus verwenden kann, das, sagen wir mal, zwanzigtausend Dollar mehr kostet, als er für sein Haus bekommt.“
„Dir war nicht bekannt, dass solche Berechnungen zum Maklergeschäft gehören?“ Aubrey bemühte sich wirklich sehr, neutral zu bleiben.
„Natürlich war mir das klar!“ Auch ich strengte mich an, ihn nicht anzufahren. „Aber irgendwie hatte ich nicht daran gedacht, dass ich das auch tun muss. Ich dachte mehr an den Teil des Geschäfts, bei dem es darum geht, Leuten Häuser zu zeigen. Ich gehe gern in die Häuser anderer Leute und sehe sie mir an.“ Mehr ließ sich dazu nicht sagen.
„Aber der alltägliche Kleinkram gefällt dir nicht“, bohrte Aubrey nach. Wahrscheinlich wollte er herausfinden, ob mein Interesse an anderer Leute Häuser auf Neugier beruhte, ob ich mich kindisch benahm oder einfach nur als seltsam gelten musste.
„Unterm Strich scheint die ganze Sache eher nichts für mich zu sein.“ Die Wertung meiner Aussage überließ ich gern ihm.
„Niemand drängt dich zu einer Entscheidung, du kannst dir ruhig Zeit lassen. Irgendetwas möchtest du doch tun, nicht? Das weiß ich.“ Es verunsicherte Aubrey ziemlich, dass ich so ganz und gar über meine Zeit verfügen konnte, ohne Aufgaben und Pflichten, bis auf die minimale Betreuung, die die Mieter in der kleinen Reihenhaussiedlung meiner Mutter mir abverlangten. Alleinstehende Frauen arbeiteten seiner Meinung nach ganztätig, und zwar nicht für ihre Mütter.
„Sicher kann ich mir Zeit lassen.“ Er war nicht der Einzige, der das Konzept einer Frau, die den Müßiggang pflegen durfte, beängstigend fand.
„Hat deine Mutter mit dir schon über ihre Pläne für morgen Abend gesprochen?“
Verdammt! „Das Abendessen bei ihr zu Hause?“
„Ja. Möchtest du hin? Wir könnten natürlich auch behaupten, wir hätten schon etwas anderes vor.“ Aber Aubrey klang sehnsüchtig. Er liebte das Essen, das Caterer Mutter bei ihren Abendeinladungen lieferte. Wobei „Caterer“ die vornehme Bezeichnung für Lucinda Esther war, eine majestätisch wirkende Schwarze, die sich ihren Lebensunterhalt mit dem Kochen für andere verdiente. Lucinda kochte ihren eigenen Angaben nach für „Leute, die selbst zum Kochen zu faul sind“ und verdiente nicht schlecht damit. Sie war ein stadtbekanntes Unikum, eine Tatsache, derer sie sich völlig bewusst war und aus der sie zusätzliches Kapital schlug.
Himmel, der Abend versprach, furchtbar zu werden. Andererseits war es aber auch gut möglich, dass er auf die eine oder andere Art die Luft reinigte.
„Lass uns hingehen“, sagte ich.
„Wunderbar, Schatz! Ich hole dich gegen achtzehn Uhr dreißig ab.“
„Bis dann.“ Ich war in Gedanken schon wieder halb woanders.
„Auf Wiedersehen.“
Auch ich verabschiedete mich und legte auf, ließ die Hand aber weiterhin auf dem Telefon liegen.
Schatz? Aubrey hatte mich noch nie Schatz genannt, er war kein Mann für Koseworte. Möglicherweise ging auch mit ihm gerade etwas vor. Beinahe hörte es sich so an. Oder ihm war sentimental zumute, weil ich ihm nach den schrecklichen Ereignissen des Vormittags leid tat, die mich doch sicherlich völlig aus der Bahn geworfen hatten.
Plötzlich stand mir das Bild von Tonia Greenhouse auf diesem überdimensionalen Bett vor Augen. Ich sah die eleganten Nachttischchen zu beiden Seiten des Bettes, den Farbkontrast zwischen Tonias Körper und den schneeweißen Laken, das rote Kleid, das so sonderbar zusammengefaltet am Fußende des Bettes gelegen hatte. Wo waren eigentlich Tonias Schuhe gewesen? Unter dem Bett?
Noch etwas anderes fehlte auf dem Bild, etwas, das ich nicht genau benennen konnte, dessen Fehlen sich aber so hartnäckig in meinem Bewusstsein einnistete, dass ich unwillkürlich die Augen schloss. Etwas war nicht vorhanden auf meinem Bild vom Bett und seiner näheren Umgebung. Die Nachttischchen …
Das war es! Meine mentale Kamera nahm die beiden Nachttischchen ins Visier, stellte scharf, besah die Ablage. Aufgeregt griff ich zum Telefon und tippte sieben sehr vertraute Ziffern ein.
„Select Realty!“ Patty Cloud klang höflich und geschäftig, ganz die perfekte Empfangsdame.
„Patty, hier ist Roe. Ich würde gern mit meiner Mutter sprechen, wenn sie da ist.“
„Natürlich!“ Patty hatte sofort auf ihre warme, persönliche Stimme umgeschaltet. „Sie spricht
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