Harris, Charlaine - Aurora Teagarden 3 - Drei Zimmer, Leiche, Bad
letzten Worte dachte ich noch nach, nachdem wir unser Gespräch beendet hatten. Warum war der Schlüssel zum Andertonhaus so geheimnisvoll wieder an unser Schlüsselbrett zurückgewandert, was uns in die Lage versetzt hatte, das Haus zu öffnen und die Leiche zu entdecken?
Aus der Antwort auf diese Frage ergaben sich meiner Meinung nach eine Reihe höchst interessanter Aspekte.
Das Mitarbeitertreffen versprach, nicht langweilig zu werden.
Zu Mittag aß ich einen Apfel und die Reste einer Hühnerbrust vom Vortag, während ich in Jane Engles Ausgabe vom „Who is Who der Mörder“ blätterte. Ich las die Eintragungen zu einigen meiner Lieblingsmorde und fragte mich, ob eine Neuauflage des Werks wohl auch einen Beitrag über unser hiesiges Mörderduo enthalten würde, dessen grauenerregende, wenn auch kurze Karriere es bis in die Schlagzeilen der überregionalen Presse geschafft hatte. Oder blieb das Verschwinden einer Familie aus einem Haus an der Stadtgrenze das einzige Vorkommnis in Lawrenceton, das langfristig der Erwähnung wert war? Wie lange lag das jetzt zurück? Fünf Jahre? Sechs?
Es stimmte meine Mutter sehr unglücklich, dass ich mich für alte Mordfälle begeistern konnte und mich mit Verbrechen so gut auskannte. Seit sich unser Club Echte Morde aufgelöst hatte, gab es niemanden mehr, mit dem ich mein Hobby teilen konnte. Ich seufzte.
Immer noch melancholisch räumte ich meinen Teller in die Spülmaschine und stieg die Treppe hinauf, um mich für das Treffen fertig zu machen. Wenigstens die Katzenhaare musste ich mir vom Kleid bürsten.
Mit seinen beruhigenden grauen und blauen Teppichböden, den idyllischen Kunstdrucken und bequemen Sesseln strahlte das Haus, in dem sich die Büroräume der Firma meiner Mutter befanden, Ruhe und profitable Effizienz aus. Ruhe und Effizienz waren die Eigenschaften, die meine Mutter ausmachten, und es war ihr gelungen, sie mit Hilfe ihrer Innenarchitektin einzufangen, als das Haus renoviert wurde. Von Anfang an hatte Mutter auf der Einrichtung eines Konferenzzimmers bestanden, in dem nun jeden Montag Besprechungen stattfanden, an denen jeder teilzunehmen hatte, der für Mutter arbeitete. Meine Mutter hatte schon früh gewusst, dass ihre Firma schnell wachsen würde und entsprechend geplant. So bot der Konferenzraum auch jetzt noch ausreichend Platz für alle Beteiligten.
Interessiert nahm ich zur Kenntnis, dass sie eine der Schwiegertöchter John Queenslands herbeizitiert hatte, um während der Besprechung das Telefon zu bewachen und Nachrichten zu notieren. Ich kannte die Söhne meines Stiervaters und deren Gemahlinnen nur flüchtig. Ehe ich Melinda zur Begrüßung zunickte, fragte ich mich, in welcher Beziehung wir eigentlich zueinander standen. War sie meine Schwippschwägerin? Allem Anschein nach würde ich in ein paar Monaten auch Schwipptante werden, aber da Melinda bereits einige Fehlgeburten hinter sich hatte, fragte ich lieber nicht nach.
Meine neue angeheiratete Stierverwandte saß an Patty Clouds Schreibtisch, der natürlich nicht nur vorbildlich ordentlich war, sondern auf dem auch noch eine gepflegte Pflanze und ein Bild in einem teuren Rahmen prangten. Pattys Schreibtisch befand sich direkt gegenüber der Eingangstür, der Schreibtisch ihrer Untergebenen Debbie Lincoln stand im rechten Winkel dazu und stellte den Einstieg zu dem Flur dar, der zum Konferenzraum und den Büros Idellas und Mackies führte. In dem von den beiden Tischen und zwei Wanden gebildeten Rechteck hing das Schlüsselbrett, fest in der Wand verankert, eine Lochwand mit säuberlich alphabetisch beschrifteten Haken. Die beliebteren Buchstaben des Alphabets nahmen sogar zwei oder drei Haken in Anspruch. Die Schlüsselordnung war leicht zu durchschauen, man brauchte nur halbwegs intelligent zu sein, dann hatte man das System in Sekundenschnelle begriffen. Auch die anderen Maklerbüros der Stadt arbeiteten mit ähnlichen Schlüsselbrettern.
Ich schreckte aus meinem Gedankengang hoch, um feststellen zu müssen, dass Melinda darauf wartete, von mir zur Kenntnis genommen zu werden, wobei ihr Willkommenslächeln bereits etwas angespannt wirkte. So lange hatte ich die Wand in ihrem Rücken angestarrt. Ich nickte ihr kurz zu und machte mich auf Richtung Besprechungszimmer, wo der Stuhl links neben Mutter für mich frei war. Mutters Mitarbeiter rechneten damit, dass ich den Betrieb eines Tages übernehmen würde und sahen meine Anwesenheit als ersten Schritt in diese Richtung.
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