Harris, Charlaine - Aurora Teagarden 3 - Drei Zimmer, Leiche, Bad
Selbstzufriedenheit. „Dabei ist Lawrenceton wirklich ein süßes kleines Städtchen, die Menschen hier sind so … so umgänglich.“ Sie ließ mich nicht aus den Augen. „Aber Chicago fehlt mir mehr, als ich für möglich gehalten hätte. Ich muss einfach wieder heim und anfangen, mir eine Wohnung zu suchen. Ich glaube, Martin hatte gehofft, ich würde ihm den Haushalt fuhren, aber so weit bin ich wohl noch nicht.“ Sie zwinkerte uns bedeutungsvoll zu.
„Sie sollen ja vor ein paar Jahren ziemlich schwer verletzt worden sein“, fuhr sie fort, weiterhin an meine Adresse gerichtet. Dass Mutter sich bei ihren Worten kerzengerade aufrichtete und selbst John finster dreinschaute, schien ihr zu entgehen. Martins Blick huschte neugierig von einem Gesicht zum anderen.
„So schwer nun auch wieder nicht“, sagte ich nach einer kleinen Pause. „Zwei gebrochene Rippen und ein gebrochenes Schlüsselbein.“
Aubrey war ganz in den Anblick seines Weinglases vertieft. Ihm war nie besonders wohl, wenn die Sprache auf meine Berührung mit dem Tode kam.
„Mein Gott! Rippen und Schlüsselbein gebrochen! Das tut doch weh!“
„Ja, es hat wehgetan.“
„Was ist denn passiert?“
Es tat immer noch weh, wenn ich an diese schreckliche Nacht dachte. Auch jetzt spürte ich ein Ziehen zwischen den Rippen, hörte mich schreien, spürte den Schmerz noch einmal, als sei er ganz frisch.
„Das sind alte Kamellen“, sagte ich.
Barby schickte sich an, erneut den Mund zu öffnen, aber ihr Bruder kam ihr zuvor.
„Wie ich höre, haben Sie eine erstklassige Köchin, Aida.“ Martin initiierte den Themenwechsel diplomatisch, mit klarer Stimme.
Barby warf ihm einen erstaunten Blick zu, Mutter ein dankbares Lächeln.
„Ja“, stimmte sie sofort zu, „in der Hinsicht habe ich großes Glück. Obwohl man Mrs. Esther eigentlich nicht als meine Köchin bezeichnen kann, sie hat einen Catering-Betrieb hier in der Stadt. Bei Leuten, die sie kennt, kommt sie auch ins Haus und kocht dort. Sonst bereitet sie die Sachen zu Hause vor und liefert sie mit entsprechenden Anweisungen versehen ins Haus. Wie gesagt, ich habe Glück, mich kennt sie gut. In der Menüfrage lässt sie sich nicht reinreden, sie bestimmt, was auf den Tisch kommt. Worum es sich dabei jeweils handelte, macht am nächsten Tag die Runde durch die Stadt, denn alle sind neugierig, was Mrs. Esthers Speisenfolgen betrifft, und wir haben alle schon versucht herauszufinden, wie sie ihre Auswahl trifft. Aber bisher konnte niemand ein Muster entdecken. Die Frage, was Esther für wen wann gekocht hat, ist also immer sehr interessant.“
Mrs. Esthers Kochkünste und Spleens boten immer wieder ein anregendes Gesprächsthema. Über kaum etwas anderes wurde auf Feiern in Lawrenceton häufiger gesprochen. Martin lenkte die Unterhaltung geschickt weiter in dieselbe Richtung, indem er sehr vergnüglich von diversen Catering-Missgeschicken erzählte, die er selbst miterlebt hatte. Aubrey spielte höflich mit und erzählte von absonderlichen Zwischenfällen bei Hochzeiten, denen er in offizieller Funktion hatte beiwohnen müssen, und als Mrs. Esther in blütenweißer Uniform auftauchte, um uns zu Tisch zu bitten, war das Eis gebrochen, und wir lachten alle herzlich. Mrs. Esther war voluminös, schwer und schwarz, trug ihre Haare zu Zöpfen geflochten um den Kopf geschlungen und in den Ohren riesige goldene Ohrringe. Sie war eine ernsthafte Frau, unsere Mrs. Esther, niemand wagte es, sie Lucinda zu nennen. Sollte sie wider Erwarten doch einen Sinn für Humor besitzen, so hütete sie ihn wie ein belangreiches Geheimnis. Auch Mr. Esther war ein Mysterium. Ohnehin war die Frau ein wenig geheimnisvoll. Man wusste nicht viel über sie, nur, dass die Namen ihrer Kinder immer wieder in der Tageszeitung standen, wenn die Schulen ihre Bestenlisten veröffentlichten. Nach allem, was man so hörte, waren diese Kinder ebenso verschlossen wie ihre Mutter.
Wir alle betraten Mutters Esszimmer mit einem Gefühl der freudigen Erwartung. Ab und zu kochte Mrs. Esther französisch, manchmal traditionell nach Art der Südstaaten, manchmal deutsch oder gar kreolisch. Meist jedoch gab es einfaches, amerikanisches Essen, gut zubereitet und geschmackvoll angerichtet. An diesem Tag bot sie uns gebackenen Schinken, Süßkartoffelgratin, grüne Bohnen mit kleinen neuen Kartoffeln, selbstgebackene Brötchen, Waldorfsalat und als Nachtisch Kolibrikuchen. Mutter hatte sich und John je an ein Tischende gesetzt, Aubrey und
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