Harris, Charlaine - Aurora Teagarden 3 - Drei Zimmer, Leiche, Bad
benommen hat.“
„Vielleicht macht er gerade eine schwere Zeit durch, Susu. Vielleicht braucht er psychologische Beratung oder eine Therapie. Aber ich glaube wirklich nicht, dass Jimmy irgendjemanden umgebracht hat.“
„Ich fahre jetzt zum Anwalt, Roe. Herzlichen Dank, dass du vorbeigekommen bist! Ich hatte irgendwie aufgegeben.“
„Nicht der Rede wert“, versicherte ich ihr mit einem Flattern im Bauch. Nein, als noble Retterin in der Not fühlte ich mich gerade nicht.
„Falls er es doch getan hat, will ich dich natürlich nie wiedersehen“, ergänzte sie mit einem schwachen Lächeln.
„Das weiß ich.“
Susu war noch nie so dumm gewesen, wie sie nach außen hin wirkte.
Ich wollte gerade wieder in mein Auto steigen, als mir siedend heiß einfiel, dass an diesem Morgen Tonia Lee beerdigt werden sollte. Noch so eine unangenehme Aufgabe. Ein Blick auf die Uhr: Mir blieben gerade noch dreißig Minuten. Ich raste heim, schoss die Treppe hinauf, riss mir die Kleider vom Leib und schlüpfte in mein schwarzes Winterkleid, weit und locker, mit abgesetzter Taille. Keine Zeit für einen Wechsel der Unterwäsche, keine Zeit, nach einer schwarzen Strumpfhose zu suchen. Hastiges Wühlen in meinem Schrank beförderte meine hohen, schwarzen Stiefel zutage. Zu diesem Kleid gehörten eigentlich ein hübscher Schal oder eine Kette, aber auch dazu blieb keine Zeit, Ohrringe mussten reichen. Jetzt noch der Mantel, und schon rannte ich hinaus zum Auto.
Die Fläming Sword of God Bible Church war ein rechteckiges, weißgestrichenes Gebäude aus Betonblöcken. Der Parkplatz wirkte heruntergekommen und dreckig. Als ich ausstieg, fuhr mir ein scharfer Wind unter die Kleidung. Rasch zog ich mit der einen Hand den Mantel fester um mich, während ich mit der anderen meine Haare aus dem Gesicht hielt. Zusammen mit einem eisigen Windstoß fegte ich in die Kirche. War der Parkplatz schon voll gewesen, so drängten sich in der Kirche so viele Menschen, dass kaum noch mehr hineingingen. Ich hatte auf dem Parkplatz, hinten, wo auch der Leichenwagen wartete, den Ü-Wagen eines Fernsehsenders gesehen. Das Kamerateam drehte in der Kirche. Dafür war garantiert Donnie verantwortlich, da wäre ich jede Wette eingegangen. Einen Sitzplatz gab es nicht mehr. Jede Bankreihe war bis zum Anschlag mit den guten Bürgern von Lawrenceton in ihren Wintermänteln vollgestopft. Also drückte ich mich hinten am Eingang herum, wo ich versuchte, ein möglichst dunkles Eckchen zu finden. Der Basiliskenblick meiner Mutter fand mich natürlich trotzdem. Mutter war sicher pünktlich eingetroffen und thronte würdevoll inmitten ihres Maklerteams in einer der vorderen Bankreihen der Kirche. Bis auf Debbie Lincoln waren alle Kollegen von Select Realty erschienen. Debbie hatte wahrscheinlich im Büro bleiben müssen, um die Telefone zu bewachen.
Einen Moment lang hielt ich Ausschau nach Idella, dann fiel es mir wieder ein …
Der Sarg stand vorn beim Altar, geschlossen, wofür ich sehr dankbar war. Ein Kranz aus blassrosa Nelken zierte ihn, der Duft der Blumen hing so schwer in der kalten Luft, dass ich ihn selbst hinten am Eingang noch wahrnehmen konnte. Eine Orgel gab es nicht, dafür ein Piano. Der Pianist spielte etwas Langsames, Getragenes, vielleicht „Nearer My God to Thee“. Jetzt tauchte aus einer Tür neben dem Altar der Pastor auf, ein kleiner, junger Mann mit einem Gesicht voller alter Aknenarben. Seine Brauen und Wimpern waren so hell, dass man sie kaum sah, er trug einen billigen, dunklen Anzug, ein weißes Oberhemd, eine dunkle Krawatte und hielt eine Bibel fest an die Brust gedrückt. Bei seinem Erscheinen rührte man sich hier und da auf den harten Holzbänken. Ganz vorn in der Kirche erkannte ich Mrs. Purdy mit einem dunkelblauen Hut auf dem Kopf und einer Perlenkette um den Hals. Neben ihr ragte Donnies schneeweißes Gesicht aus einem gnadenlos schwarzen Anzug.
„Lasset uns beten.“ Die Stimme des Pastors klang unerwartet tief und tragend. Gehorsam neigte ich den Kopf zum Gebet, wobei mir bewusst war, dass ein Mitglied des Kamerateams mich neugierig beäugte. Verwirrt versuchte ich, mich weiter in die Menge zu drücken. Ich hatte Angst, man könne mich erkennen. Auch damals, bei den Mordfällen im Zusammenhang mit Echte Morde, hatten mich die Kameras erwischt – aber vor Ende des Gottesdienstes würde doch sicher niemand wagen, mich anzusprechen? Da – der Kameramann stieß die Reporterin an, eine junge Frau, an deren
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