Harris, Charlaine - Aurora Teagarden 3 - Drei Zimmer, Leiche, Bad
Gesicht ich mich vage erinnerte, da ich es wohl schon ein paarmal im Fernsehen gesehen hatte. Als er ihr etwas zuflüsterte, sah sie zu mir herüber. Gottseidank war in den Artikeln über Tonia Lees Ermordung mein Name bisher noch nicht gefallen. Oder hatte ich das einfach nur nicht mitbekommen?
Von da ab fiel es mir schwer, mich auf den Gottesdienst zu konzentrieren. Der Pastor schien sich um eine einfühlsame Mischung zu bemühen, soweit ich das mitbekam. Es war die Rede davon, dass Tonia Lee ihren Frieden gefunden hatte, ganz gleich, wie ihr Leben und besonders die letzten Minuten davon verlaufen sein mochten, und es wurde erwähnt, dass wir dem Menschen vergeben sollten, der sich so weit von Gott entfernt hatte, dass er … „Mein ist die Rache, spricht der Herr!“, ermahnte uns der Pastor. Letzteres schien bei einigen aus der Gemeinde nicht gut anzukommen, aber zum Ende der Predigt wurde doch auch zustimmend genickt. Ich hatte den Namen des Pastors nicht mitbekommen, fand aber, dass er als Redner recht überzeugend wirkte.
Alles in allem schien mir der Gottesdienst recht schnell vorbeizugehen. Vorn hatten sich schon die Sargträger versammelt und schickten sich an, den Sarg aus der Kirche zu tragen. Ernstes Nicken und einiges Getuschel war erforderlich, bis sie ihn angehoben und ausbalanciert hatten. Dann erhob sich die Gemeinde, und das Piano stimmte erneut eine traurige Melodie an. Tonia Lee sollte zum letzten Mal ein Haus der Lebenden verlassen. Das Kamerateam hatte alle Hände voll zu tun, weswegen ich es schaffte, mich unauffällig bis zu der Bankreihe vorzuschieben, in der die Kollegen von Select Realty gesessen hatten. Ich hörte den Leichenwagen vorfahren. Der Pastor wartete, bis er davon ausgehen konnte, dass der Sarg aufgeladen war, ehe er den Gottesdienst mit einem letzten feurigen Gebet abschloss. Die Trauergäste begaben sich hinaus zu ihren Wagen. Ich musste Mutter nur ins Ohr flüstern, der Kameramann hätte mich erkannt, und schon schloss sich das Team von Select Realty wie ein fester Kordon um mich. Bestens getarnt schob man mich bis zu Mutters Auto, in das ich mich zusammen mit Mutter, Eileen, Patty und Mackie zwängen musste. Mackie, der einzige Schwarze beim Trauergottesdienst, hatte in der Fläming Sword of God Bible Church herausgestochen wie ein Schokoladentropfen auf einer Hochzeitstorte.
Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, noch bis zum Friedhof mitzukommen, aber nun blieb mir wohl nichts anderes übrig.
Die Fahrt zum Shady Rest Friedhof verlief relativ schweigsam. Ich musste daran denken, dass wir diesen Weg bald noch einmal würden zurücklegen müssen, nämlich wenn Idella begraben wurde. Eileen war ungewohnt ernst, sie hatte immer noch mit unserem Erlebnis am Sonntag zu kämpfen. Mackie sagte in Gesellschaft sowieso nie viel, jedenfalls nicht, wenn es sich um eine rein weiße Gesellschaft handelte. Dabei war er gewiss nicht schüchtern: Ich hatte gehört, dass er im Chor seiner Kirche, der African Methodist Episcopal Church, solo sang.
Mutter war wegen des Kamerateams übel gelaunt. Patty war aufgewühlt wegen der Beerdigung. „Ich war noch nie auf einer“, erklärte sie. Ob sie wohl nur mitgegangen war, weil Mutter das selbstverständlich von ihrer gesamten Belegschaft erwartet hatte?
Am Grab sah ich mich verstohlen in der versammelten Menge um. Man hatte ein grünliches Zelt aufgebaut und Klappstühle aufgestellt. Vor den Reihen standen drei einzelne Stühle, darauf Mrs. Purdy, Donnie und eine schmallippige Frau, in der ich Donnies ältere Schwester erkannte. Hinter den Dreien saßen Tonia Lees Tante und ihre Cousins und Cousinen.
Kalter Wind fuhr zwischen die Trauernden, brachte die Zeltwände und das rote Tuch auf dem Sarg zum Flattern. Er trieb selbst den Anwesenden, die sonst nicht geweint hätten, Tränen in die Augen. Ganz hinten, am Rande der Menge, stand Franklin Farrell, das graue Haar ungewohnt wirr, die Miene gelangweilt. Auch Sally Anderson stand verhältnismäßig weit hinten, in einem adretten grauen Kostüm. Aufmerksam huschten ihre nussbraunen Augen über die Gesichter der Versammelten. Lillian, meine frühere Kollegin, stand zitternd mit dem Gesicht im Wind und blinzelte wie verrückt. Lynn Liggett Smith hatte ihren schweren braunen Mantel fest um sich gezogen und durchforstete die Gesichter der Menge mit scharfem Blick.
Immerhin blieb der Gottesdienst am Grab kurz. Es half, dass Donnie sich wohl entschieden hatte, den würdevoll trauernden Witwer zu
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