Harris, Charlaine - Aurora Teagarden 3 - Drei Zimmer, Leiche, Bad
Verhältnis zu meinen Kolleginnen. Am meisten fehlte es mir, ganz einfach unter Büchern zu sein.
Wer mir nie fehlte, war Lillian Smith. Also empfing sie mich natürlich an diesem Tag am Ausgabetresen. Ich erkundigte mich höflich nach Mrs. Purdy, woraufhin ich einen minutiösen Bericht über den Zusammenbruch erhielt, den diese nach dem Begräbnis ihrer Tochter erlitten hatte, wonach sie in einen schwer depressiven Zustand verfallen war. Lillian schilderte mir, mit welcher Freude und Erleichterung Mrs. Purdy die Nachricht von der Verhaftung eines Verdächtigen aufgenommen hatte, ihr ungläubiges Entsetzen, als sie hörte, um wen es sich dabei handelte, und ihre Verwirrung, als sich herausstellte, dass gegen Jimmy Hunter keine konkreten Beweise vorlagen.
„Ach, das ist ja wunderbar!“, sagte ich spontan.
Lillian wirkte schwer gekränkt, was ihren überdimensionalen Busen unter dem gestreiften Polyester der Bluse ordentlich zum Wogen brachte. „Ich wette, sie mussten ihn laufen lassen, weil ihm rein technisch nichts nachzuweisen war“, sagte sie. „Es wird ihnen leid tun, wenn die nächste Frau ermordet in ihrem Bett liegt.“
Ich verkniff mir die Bemerkung, dass es sich bei dem Bett, in dem Tonia Lee ermordet worden war, nicht gerade um ihr eigenes gehandelt hatte. „Wenn noch jemand stirbt, dann sicher nicht, weil Jimmy nicht verhaftet wurde“, erklärte ich entschieden, wenn auch vielleicht nicht ganz verständlich, sammelte meine Bücher ein und floh.
Zu Hause wurde es sechzehn Uhr, bis ich mein Auto ausgeladen hatte. Draußen zog langsam Nacht und Kälte auf. Die Uhrzeit, zu der Tonia Lee gestorben war, rückte näher. Die Polizei hatte anfangs angenommen, Mackie sei in die Tat verstrickt, weil sich außer Tonia Lees Wagen kein weiteres Fahrzeug in der Auffahrt des Andertonhauses befunden hatte. Mackie joggte um diese Tageszeit. Die Theorie mit dem Jogger leuchtete mir ein, nur hatte die Polizei die falsche Person ins Visier genommen. An diesem Abend würde auch ich unterwegs sein. Ich hatte vor zu walken. Nur, um zu sehen, wen man dabei alles zu sehen bekam.
Zwanzig Minuten später konnte ich über diesen Einfall nur noch den Kopf schütteln und mir im Geist finstere Schimpfworte an den Kopf werfen: Auf den Straßen Lawrencetons drängten sich die Jogger und Walker ja praktisch! Ich hatte nicht gewusst, wie geschäftig es um diese Uhrzeit zuging, die ich für gewöhnlich der Erholung von der Arbeit und der Zubereitung des Abendessens vorbehalten hatte. Mir kam es vor, als würde ich an jeder Straßenecke einem Jogger, Walker oder Radfahrer begegnen, manchmal sogar zweien. Alle Bürger der Stadt waren unterwegs! Sie schwangen energiegeladen die Arme, in den Ohren die Kopfhörer ihrer Walkmen, an den Füßen kostspielige Turnschuhe, die geräuschvoll das Pflaster bearbeiteten. Es war unglaublich.
Natürlich steuerte ich das Andertonhaus an. Raschen Schrittes – so rasch es eben ging. Irgendwann lief in Sweatshirt und kurzen Hosen Mackie an mir vorbei, sein Gesicht schweißglänzend in der kalten Abendluft. Er nickte mir im Vorbeilaufen kurz zu, mehr wurde wohl nicht erwartet, wenn man aus Fitnessgründen unterwegs war. Als Nächstes erkannte ich Franklin, der sich für seine Damen fit hielt. Er lief nicht so schnell wie Mackie, aber seine langen Beine waren muskulös und schlank. Kein Wunder, dass der Mann jünger wirkte, als er meines Wissens nach war. Ganz Franklin, brachte er bei meinem Anblick ein intim-verführerisches Lächeln zustande, obwohl sein Atem kontrolliert und schon ein wenig mühsam ging. Eileen und Terry marschierten Seite an Seite, Gewichte um Knöchel und Handgelenke. Ihre Arme schwangen im Gleichtakt, sie wechselten kein Wort. Bei ihrem Tempo hätte ich schon nach wenigen Minuten nur noch gekeucht.
Das alles war wesentlich interessanter als mein ödes Video. Diese vielen Leute, alle draußen auf der Straße zu haargenau der Zeit unterwegs, zu der der Mörder beim Andertonhaus eingetroffen sein musste. Einschließlich zahlreicher Makler. Selbst Mark Rüssel, der Bauernhöfe verkaufte, schritt in einem teuren Walking-Outfit, das zweifellos aus einem exquisiten Sportgeschäft stammte, zügig an mir vorbei – und die perfekte Patty Cloud! Ich fasste es kaum: Ihr Jogginganzug aus rosa Seide sah noch teurer aus als Russels Kluft. Patty hatte sich die Haare zu einem munteren Pferdeschwanz hochgebunden, den eine zum Anzug passende blassrosa Schleife zierte. Sogar zum Joggen ging
Weitere Kostenlose Bücher