Harrison, Kim - Hollows 7 - Blutkind
auf den kalten Linoleumboden, als die nächste Welle mich überwältigte. Es tat weh. Den Schutzkreis zu halten tat weh, und zwar so richtig. Jeder einzelne, schwindelerregende, scharfe Pulsschlag überrollte mich mit der Stärke eines Lastwagens. Man konnte einen Zusammenstoß mit einem Lastwagen überleben. Ich hatte das sogar schon geschafft. Aber nicht ohne das Polster eines Airbags und 348
einen Massenträgheitsdämpfungszauber. Meine Aura war dieses Polster gewesen. Jetzt war sie so dünn, dass sie quasi nutzlos war.
»Ivy!«, schrie Jenks, während meine Wange über das salz-
überzogene Linoleum kratzte, als ein weiterer Krampf mich überwältigte. »Tu etwas! Ich komme nicht an sie ran!«
Ich ließ die Kraftlinie nicht los - ich schob sie aus mir heraus. Eine stille Kraftwelle explodierte in meinem Chi, und ich keuchte erleichtert auf, als der Schmerz verschwand. Der Strom fiel aus, und ein lauter Knall hallte durch die Kirche.
»Runter!«, schrie Jenks. Meine Ohren klingelten.
»Scheiße«, zischte Ivy, und meine Wange kratzte noch einmal über den Boden, als ich mühevoll den Kopf hob. Dann wurde mein Blick auf den Kühlschrank gelenkt. Er brannte, umgeben von einem gespenstisch gold-schwarzen Glühen meiner Magie, das die Küche erhellte. Die Tür stand offen und hing nur noch an einem Scharnier. Ich habe unseren Kühlschrank kaputt gemacht!
»Jenks?«, flüsterte ich, als ich mich an die Macht der Linie erinnerte, die ich aus mir gedrängt hatte. Ich glaube, ich habe jede Sicherung in der Kirche durchbrennen lassen .
Ich hörte das Summen von Pixieflügeln über mir, während Ivy das magisch verursachte Feuer mit dem Feuerlöscher unter Kontrolle brachte. Hinter mir konnte ich die Pixies hören, aber ich schloss meine Augen und war völlig damit zufrieden, ein-gerollt wie ein Embryo auf dem Boden zu liegen. Die Lichter gingen wieder an. Das Zischen des Feuerlöschers verstummte und zurück blieb nur mein rauer Atem. Keiner bewegte sich.
»Verdammt, Ivy, tu was«, sagte Jenks. Der Luftzug seiner Flügel tat auf meiner Haut weh. »Heb sie hoch. Ich kann ihr nicht helfen. Ich bin zu klein.«
Am Rand meines Sichtfeldes bewegten sich unruhig Ivys Stiefel. »Ich kann nicht«, flüsterte sie. »Schau mich an, Jenks.
Ich kann sie nicht berühren.«
349
Ich atmete ein weiteres Mal, dankbar, dass der Schmerz verschwunden war. Ich setzte mich auf, schlang die Arme um die Schienbeine und ließ den Kopf auf meine Knie fallen. Ich zitterte von der Erinnerung an den Schmerz und den Schock. Verdammt, ich habe den Kühlschrank zerstört.
Kein Wunder, dass Al so selbstsicher gewesen war. Er hatte gesagt, ich wäre hilflos, und er hatte Recht. Und während ich da saß, geschlagen, fühlte ich die ersten frustrierten Tränen über meine Wange laufen. Wenn ich Al nicht dazu bringen konnte, mich mit mehr Respekt zu behandeln, dann würde ich allein sein. Ich konnte keine tiefere Beziehung zu Marshal eingehen, weil ihn das zu einem Angriffsziel machen würde. Pierce war nicht mal am Leben, und er würde jetzt eine Ewigkeit im Jenseits verbringen, aus meinem Garten gefangen. Irgendwann würde Al sich gegen Jenks und Ivy wenden. Wenn ich ihn nicht zwang, sich an allgemeine Anstandsregeln zu halten, hing das Leben von jedem um mich herum nur von der Laune eines Dämons ab.
Ich schien keine Luft zu bekommen.
Deprimiert saß ich auf meinem Küchenboden und versuchte, nicht zu zittern. Ich brauchte jemanden, der mich in den Arm nahm, jemanden, der mich in eine Decke wickeln und sich um alles kümmern konnte, bis ich das alles verstanden hatte. Doch da ich niemanden hatte, umarmte ich mich selbst und hielt den Atem an, damit keine weitere Träne floss. Ich war verletzt und hatte Schmerzen, sowohl körperlich als auch in meinem Herzen. Ich konnte weinen, wenn mir danach war, verdammt.
»Ivy«, sagte Jenks mit Panik in seiner kleinen Stimme. »Heb sie hoch. Ich bin zu klein. Ich kann ihr nicht helfen. Sie muss berührt werden, oder sie wird denken, sie wäre völlig allein.«
Ich bin allein .
»Ich kann nicht!«, schrie Ivy, und ich zuckte zusammen.
»Schau mich an! Wenn ich sie berühre …«
350
Mit überquellenden Augen sah ich auf. Ein Zittern überlief mich, als ich sie vor dem kaputten Kühlschrank sah, von dessen Brettern Kohlendioxyd herabtropfte. Sie hatte gegen ihr drängendes Verlangen die Hände zu Fäusten geballt. Ihr Instinkt, der vorhin von Cormel angeregt worden war, kämpfte mit ihrem
Weitere Kostenlose Bücher