Harrison, Kim - Hollows 7 - Blutkind
kaum erwarten, dass endlich der nächste Tag kam, wenn ich meinen Bruder Robbie vom Flughafen abholen würde. Er hatte während der Sonnenwende durchgearbeitet, aber irgendwie war es ihm gelungen, über Silvester freizubekommen.
Dass die Lichter um mich herum jetzt weihnachtliches Grün und Rot zeigten, bedeutete nicht automatisch, dass hier überwiegend Menschen wohnten. Die meisten Vampire feierten Weihnachten, und eine Menge Menschen begingen die Sonnenwende. Ivy hatte immer noch einen Weihnachtsbaum im Wohnzimmer, und Geschenke tauschten wir aus, wann immer uns danach war, nicht zu einem bestimmten Datum. Gewöhnlich war das ungefähr eine Stunde, nachdem ich vom Einkaufen zurück war. Freude am Warten war Ivys Ding, nicht meins.
»Das muss es sein«, meinte Ivy leise, und Jenks bewegte kurz die Flügel und kitzelte mich damit. Auf der linken Stra-
ßenseite stand eine Ansammlung von FIB-Wagen, grau im schwachen Licht. An der Ecke unter einer Straßenlampe standen zwei Leute und tratschten. Ihre Hunde zogen an den Leinen, weil sie nach Hause wollten. Es waren noch keine Übertragungswägen in der Gegend, aber das würde sich bald ändern. Ich konnte sie fast riechen.
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Es war kein einziges I. S.-Auto in Sicht, was mich erleichter-te, da sie wahrscheinlich Denon hier rausschicken würden. Ich hatte den lebenden, niedrigkastigen Vampir nicht mehr gesehen, seit ich letztes Jahr seine Vertuschungsversuche in den Werwolf-Morden hatte auffliegen lassen, und ich ging fest davon aus, dass er nochmal degradiert worden war. »Sieht aus, als würde die I. S. nicht kommen«, meinte ich, und Ivy zuckte mit den Achseln.
»Warum sollten sie? Ihnen ist egal, ob ein FIB-Officer zusammengeschlagen wird.«
Ich fuhr an den Randstein und parkte. »Das wäre vielleicht anders, wenn es ein Inderlander getan hat.«
Jenks lachte. »Das bezweifle ich«, sagte er, und ich fühlte ein Ziehen an meiner Mütze, als er sich unter der weichen Wolle versteckte.
Unglücklicherweise hatte er Recht. Obwohl die I. S. die übersinnlichen Spezies überwachte, würden sie auch mal ein Verbrechen ignorieren, wenn es ihnen in den Kram passte -
und das taten sie auch. Deswegen war das von Menschen ge-führte FIB entstanden. Ich hatte früher gedacht, dass das FIB
der I. S. weit unterlegen war, aber nachdem ich ein Jahr mit ihnen gearbeitet hatte, war ich beeindruckt und schockiert von der Masse an Informationen, die sie ausgraben und zusammensetzen konnten.
Erst vor vierzig Jahren, während des Wandels , hatten die vereinten Inderlander - Vampire, Hexen, Werwölfe und andere
- aktiv dabei geholfen, zu verhindern, dass die Menschen die nächste bedrohte Spezies wurden, als eine schlecht entwickelte, genetisch veränderte Tomate mutiert war und einen Großteil der menschlichen Bevölkerung ausgerottet hatte. Um ehrlich zu sein - wenn die Menschen ausgestorben wären, hätte der größte Teil der Inderlander gelitten, da die Vamps dann auf uns Jagd gemacht hätten statt auf die netten, naiven, glücklichen Menschen. Ganz zu schweigen davon, dass Mr. Joe Vampir und 53
Ms. Sue Werwolf ihren hochklassigen Lebensstil mochten, der ohne eine große Gesamtbevölkerung unmöglich war.
»Was tust du?«, fragte Ivy mit einer Hand am Türgriff, als ich unter dem Sitz herumwühlte.
»Ich habe hier irgendwo ein FIB-Schild«, murmelte ich und riss die Hand zurück, als meine Finger plötzlich etwas Kaltes, Glitschiges berührten.
Ivy lächelte mit geschlossenem Mund. »Das gesamte FIB
kennt dein Auto.«
Ich gab ein zustimmendes Geräusch von mir, gab auf und zog meine Handschuhe an. Yeah, das taten sie, nachdem sie es mir als Bezahlung dafür gegeben hatten, dass ich ihnen einmal geholfen hatte. Etwas, was die meisten von ihnen in letzter Zeit zu vergessen schienen. »Bereit, Jenks?«, rief ich und bekam als Antwort einen nur halbverständlichen Ausbruch von Flüchen.
Irgendetwas über meine Haarspülung und kotzende Fairys.
Ivy und ich stiegen gleichzeitig aus. Als ich die Tür zuknallte, überkam mich die Aufregung vor einem Run. Noch neben meinem Auto sog ich die kalte, scharfe Luft tief in meine Lungen. Die Wolken wirkten so fest, wie sie nur vor schwerem Schneefall waren, und ich konnte den Gehweg riechen, weiß von Sand und so kalt und trocken, dass die Finger daran fest-kleben würden, sollte man ihn berühren.
Mit klappernden Absätzen kam Ivy um das Auto herum, und ich folgte ihr zu einem kleinen Haus. Der wenige Schnee war
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