Harry Bosch 02 - Schwarzes Eis
hinunter. In dieser Nacht w ü rde er bestimmt schlafen.
Im Haus ging er zuerst in die K ü che und legte Porters Pistole in ein Schr ä nkchen. Sein Anrufbeantworter zeigte keine Nachrichten an. Keine Nachricht von Porter, warum er weggerannt war. Kein Anruf von Pounds, um zu fragen, ob er vorankam. Irvin hatte sich auch nicht gemeldet, um ihm zu sagen, da ß er ihm auf die Schliche gekommen sei.
Nachdem er zwei N ä chte kaum geschlafen hatte, freute sich Bosch aufs Bett wie selten zuvor. Er hatte sich an eine gewisse Abfolge gew ö hnt. Nach N ä chten mit fl ü chtigem Schlaf und Alptr ä umen fiel er schlie ß lich aus Ersch ö pfung in einen tiefen, schwarzen Schlummer.
Als er im Bett lag, merkte er, da ß die Laken und Kissen noch den leichten Geruch von Teresa Coraz ó ns Parfum ausstr ö mten. Er schlo ß die Augen und dachte an sie. Ihr Bild wurde jedoch schnell vom Gesicht Sylvia Moores verdr ä ngt. Nicht von ihrem Foto aus der Papiert ü te oder auf dem Nachttisch, sondern von ihrem wirklichen Gesicht. Desillusioniert, aber intensiv richteten sich ihre Augen direkt auf seine.
Der Traum war wie viele andere, die Harry gehabt hatte. Er befand sich an einem dunklen Ort. Eine schwarze H ö hle umgab ihn, und sein Atem hallte in der Dunkelheit wider. Er f ü hlte wie immer in seinen Tr ä umen, da ß die Dunkelheit irgendwo vor ihm endete und da ß er die Stelle erreichen mu ß te. Aber diesmal war er nicht allein, und das war etwas Neues. Er war mit Sylvia zusammen. Sie hielten sich in der Dunkelheit umschlungen, und Schwei ß brannte in ihren Augen. Harry hielt sie, sie hielt ihn, und sie sprachen nicht.
Sie l ö sten ihre Umarmung und begannen sich durch die Dunkelheit zu bewegen. Vor ihnen war ein schwaches Licht zu sehen, auf das Harry zuhielt. Seine linke Hand mit der Smith & Wesson hatte er nach vorne ausgestreckt, an der rechten Hand f ü hrte er sie hinter sich her. Als sie sich dem Licht n ä herten, stand Calexico Moore dort mit dem Schrotgewehr. Er versteckte sich nicht. Das Licht, das hinter ihm in den Gang str ö mte, zeichnete seine Silhouette. Seine gr ü nen Augen wurden vom Schatten verborgen. Er l ä chelte und legte dann die Schrotflinte an.
» Wer hat Schei ß e gebaut? « sagte er.
Der Knall war ohrenbet ä ubend in der Dunkelheit. Bosch sah, wie Moores H ä nde vom Gewehr in die Luft geschleudert wurden, wie angekettete V ö gel, die wegzufliegen versuchten. Er stolperte unkontrolliert r ü ckw ä rts in die Dunkelheit und war weg. Nicht gefallen, sondern verschwunden. Nur das Licht am Ende des Ganges blieb zur ü ck. Mit der einen Hand hielt Harry immer noch Sylvias Hand, mit der anderen den rauchenden Revolver.
Bosch ö ffnete die Augen. Er sa ß aufrecht im Bett. Graues Licht drang durch die L ü cken der Vorh ä nge an den Ostfenstern. Der Traum schien kurz gewesen zu sein, am Licht merkte er jedoch, da ß er bis zum Morgen geschlafen hatte. Er hielt sein Handgelenk hoch und schaute auf die Uhr. Einen Wecker besa ß er nicht, weil er nie einen brauchte. Es war sechs Uhr. Er rieb sich das Gesicht mit den H ä nden und versuchte, den Traum zu rekonstruieren. Das war ungew ö hnlich f ü r ihn. Eine Therapeutin von der Schlafst ö rungsberatung im Veteranenhospital hatte ihm einmal empfohlen, seine Tr ä ume aufzuschreiben. Es sei eine Ü bung, mit der man dem Bewu ß tsein mitteile, was das Unterbewu ß tsein sagen wolle. Monatelang legte er ein Notizheft und einen Stift neben das Bett und schrieb pflichtschuldig auf, woran er sich morgens erinnern konnte. Aber er stellte fest, da ß es ihm nicht half. Ganz egal, wie gut er die Ursachen seiner Alptr ä ume verstand, er konnte sie nicht aus seinem Schlaf verdr ä ngen. Er war schon seit Jahren nicht mehr zur Schlaftherapie gegangen.
Jetzt konnte er die Traumbilder nicht wieder herstellen. Sylvias Gesicht verschwamm. Harry merkte, da ß er stark geschwitzt hatte. Er stand auf, zog die Laken ab und warf sie in den W ä schekorb. Dann ging er in die K ü che, stellte die Kaffeemaschine an und begab sich ins Badezimmer, um zu duschen und sich zu rasieren. Nachdem er seine Reisekleidung, Bluejeans, ein gr ü nes Kordhemd und ein schwarzes Jackett, angezogen hatte, ging er in die K ü che und go ß den schwarzen Kaffee in seine Thermosflasche.
Das erste, was er im Wagen verstaute, war seine Waffe. Er entfernte die Matte, mit der der Kofferraum ausgelegt war, und nahm den Ersatzreifen sowie den Wagenheber heraus. Dann legte er seine
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