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Harry Bosch 02 - Schwarzes Eis

Harry Bosch 02 - Schwarzes Eis

Titel: Harry Bosch 02 - Schwarzes Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Heilung von ihr aus. Warum war Cal Moore von ihr weggerannt?
    Er wechselte das Thema, ohne genau zu wissen warum, nur da ß er ihre Aufmerksamkeit von sich ablenken mu ß te.
    » Im Schlafzimmer ist ein Bilderrahmen. Geschnitztes Kirschholz, aber ohne Bild. Kennen Sie ihn? «
    » Ich mu ß ihn mir ansehen.«
    Sie stand auf, lie ß die Uniform ihres Mannes auf dem Sessel liegen und ging ins Schlafzimmer, wo sie den Rahmen in der obersten Schublade der Kommode lange betrachtete, bevor sie erkl ä rte, da ß sie ihn nicht kannte. Sie sah Bosch erst an, nachdem sie das gesagt hatte.
    Sie standen neben dem Bett und sahen sich schweigend an. Bosch hob endlich seine Hand, z ö gerte dann. Sie machte einen Schritt auf ihn zu als Zeichen, da ß sie seine Ber ü hrung wollte. Er strich ihr ü ber die Wange, so wie sie es getan hatte, als sie vor kurzem das Foto angesehen hatte und dachte, sie sei allein. Dann lie ß er seine Hand an der Seite auf den Hals hinuntergleiten und begann, ihren Nacken zu streicheln.
    Sie sahen sich bewegungslos an. Sie schmiegte sich an ihn und hob ihren Kopf. Mit der Hand zog sie ihn am Hals zu sich herab, und sie k üß ten sich. Sie umarmte ihn und pre ß te sich an ihn mit einer Leidenschaft, die offenbarte, wie sehr sie ihn brauchte. Bosch sah, da ß sie ihre Augen geschlossen hatte, und wu ß te in diesem Moment, da ß sie mit ihrem Hunger und in ihrer Einsamkeit Spiegelbilder voneinander waren.
    Sie liebten sich auf dem ungemachten Bett ihres Mannes, ohne sich darum zu k ü mmern, wo sie waren und was es morgen, in einer Woche, in einem Jahr bedeuten w ü rde. Bosch hielt seine Augen geschlossen und konzentrierte sich auf die anderen Sinne – ihren Geruch, ihren Geschmack und das Gef ü hl ihrer Haut.
    Hinterher legte er seinen Kopf zwischen ihre mit Sommersprossen ü bers ä ten Br ü ste. Sie streichelte ihn und fuhr mit den Fingern durch seine Locken. Er h ö rte, wie ihr Herz im gleichen Rhythmus wie seins schlug.

19
    Es war ein Uhr nachts, als Bosch in seinem Caprice auf den Woodrow Wilson Drive abbog und die lange, kurvenreiche Stra ß e zu seinem Haus hinauffuhr. Von hier oben sah er, wie kreisende Scheinwerfer Doppelschleifen auf die niedrigen Wolken ü ber Universal City zeichneten. Vor H ä usern, in denen Parties stattfanden, zw ä ngte er sich an Autos vorbei, die in der zweiten Reihe geparkt waren. An einer Stelle mu ß te er einem weggeworfenen Weihnachtsbaum mit etwas Lametta ausweichen, den der Wind ihm in den Weg wehte. Auf dem Beifahrersitz lag die letzte Budweiser-Dose aus Cal Moores K ü hlschrank und Lucius Porters Waffe.
    Sein ganzes Leben hatte er sich abgerackert, um seinem Leben einen Sinn zu geben. Im Heim, bei den Pflegefamilien, in der Armee, in Vietnam – und jetzt bei der Polizei. Immer hatte er gek ä mpft, etwas aus seinem Leben zu machen, zu wissen, worauf es ankam. Zu wissen, da ß etwas Gutes in ihm steckte. Das Warten war das Schwierigste. Das Warten hatte seine Seele ausgeh ö hlt. Und er glaubte, da ß andere Menschen die Leere in ihm sehen konnten. Mit der Zeit hatte er gelernt, diese Leere mit Zur ü ckgezogenheit und Arbeit zu f ü llen. Manchmal mit Alkohol und den Kl ä ngen eines Jazz-Saxophons. Aber nie mit Menschen. Er lie ß niemanden in sein Innerstes eindringen.
    Und jetzt hatte er Sylvia Moores Augen gesehen, ihre wahren Augen, und er fragte sich, ob sie es war, die seine Leere ausf ü llen konnte.
    » Ich will dich sehen «, hatte er gesagt, als sie sich vor dem Fountains trennten.
    » Ja «, war alles, was sie gesagt hatte. Sie ber ü hrte seine Wange mit ihrer Hand und stieg in den Wagen.
    Jetzt versuchte er zu verstehen, was das eine Wort und die Ber ü hrung bedeuten k ö nnten. Er war gl ü cklich. Und das war etwas Neues.
    Als er um die letzte Kurve bog und langsamer fuhr, um einen Wagen mit aufgeblendetem Fernlicht vorbeizulassen, dachte er daran, wie sie den Bilderrahmen lange betrachtet hatte, bevor sie erkl ä rte, ihn nicht zu kennen. Hatte sie gelogen? Wie wahrscheinlich war es, da ß Cal Moore einen so teuren Rahmen gekauft hatte, nachdem er in diese Bruchbude gezogen war? Nicht sehr, lautete die Antwort.
    Als er seinen Wagen geparkt hatte, schossen ihm bereits widerstreitende Fragen und Gef ü hle durch den Kopf. Was war auf dem Bild gewesen? Spielte es eine Rolle, da ß sie etwas verschwiegen hatte? Falls sie das getan hatte. Er nahm die Bierdose vom Nebensitz und trank sie hastig aus. Ein paar Tropfen rannen ihm am Hals

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