Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton
eigenartige Übereinstimmungspunkte zwischen den Opfern, aber nichts, womit man etwas anfangen konnte.
Drei der Huren vom Boulevard gingen zu dem gleichen Doktor, um ihre wöchentliche Tripperspritze zu bekommen. Daraufhin wurde er drei Wochen observiert. Eines Nachts, als der Arzt beobachtet wurde, gabelte dann der wirkliche Puppenmacher eine Prostituierte auf dem Sunset Boulevard auf, deren Leiche man am nächsten Morgen in Silverlake fand.
Zwei der anderen Frauen hatten auch den gleichen Arzt, einen Schönheitschirurgen aus Beverly Hills, der ihre Brüste vergrößert hatte. Die Fahndungsgruppe hatte diese Entdeckung gefeiert, weil ein kosmetischer Chirurg das Aussehen verändert, ähnlich dem Vorgehen des Puppenmachers, der Make-up benutzte. Der Kosmetiker, wie er von den Cops genannt wurde, wurde ebenfalls observiert. Aber er tat nichts Verdächtiges und schien eine Bilderbuchehe mit seiner Frau zu führen, deren Körper er nach seinem Geschmack geformt hatte. Er stand immer noch unter Beobachtung, als Bosch den Telefonanruf entgegennahm, der zum Tod von Norman Church führte.
Soweit Bosch wußte, hatte keiner der Ärzte je geahnt, daß er beobachtet wurde. Bremmer hatte ihre Namen in seinem Buch geändert.
Als er zwei Drittel des Hintergrundmaterials durchgesehen hatte und bei Nicole Knapp, dem siebten Opfer, angelangt war, erkannte Bosch das Muster im Muster. Irgendwie hatte er es vorher übersehen. Sie alle hatten es. Die Fahndungsgruppe, Locke, die Medien. Sie hatten die Opfer alle in die gleiche Kategorie eingeordnet. Eine Hure ist eine Hure ist eine Hure. Aber es gab Unterschiede. Es gab Straßendirnen und solche, die für Escort-Services tätig waren. Innerhalb dieser zwei Gruppen waren einige Striptease-Tänzerinnen und eine war eine Telegramm-Stripperin. Zwei arbeiteten im Pornogeschäft – wie auch das neueste Opfer: Becky Kaminski – und machten nebenbei Hausbesuche als Nutten.
Bosch nahm das Material und die Fotos von Nicole Knapp, dem siebten Opfer, und Shirleen Kemp, dem elften Opfer, vom Tisch. Unter den Namen Holly Lere beziehungsweise Heather Cumhither traten sie in Pornovideos auf.
Dann blätterte er einen der Ordner durch, bis er den Bericht zu der einzigen Überlebenden fand, der Frau, die entkommen war. Auch sie war Pornodarstellerin, die nebenbei als Callgirl arbeitete. Ihr Name war Georgia Stern, alias Velvet Box. Sie war zum Hollywood Star Motel gegangen, wo sie einen Kunden traf, der ihr durch den Callgirl-Service vermittelt worden war, der in den lokalen Sexblättern annoncierte. Dort angekommen hatte der Kunde sie gebeten, sich auszuziehen. Dazu drehte sie sich um, falls der Mann auf der schamhaften Tour stand. Als nächstes sah sie, wie der Lederriemen ihrer Handtasche ihr über den Kopf geworfen wurde. Dann begann der Mann sie von hinten zu würgen. Sie wehrte sich wie wahrscheinlich alle Opfer, aber sie war in der Lage, sich freizukämpfen, indem sie ihm den Ellbogen in die Rippen rammte, sich dann umdrehte und ihm einen Tritt in die Geschlechtsteile versetzte.
Alle Schamhaftigkeit vergessend, rannte sie nackt aus dem Zimmer. Als die Polizei eintraf, war der Täter geflohen. Es dauerte drei Tage, bis die Nachricht von dem Vorfall zur Fahndungsgruppe gelangt war. Zu dem Zeitpunkt war das Hotelzimmer schon dutzendemal benutzt worden – das Hollywood Star war ein Stundenhotel – und es hatte keinen Sinn mehr, noch Beweismaterial zu sammeln.
Beim Durchlesen des Berichts begriff Bosch, warum das Phantombild, bei dem Georgia Stern dem Porträtzeichner der Polizei geholfen hatte, so ganz anders als Norman Church aussah.
Es war ein anderer Mann gewesen.
Eine Stunde später schlug er in einem der Hefter die letzte Seite auf, wo er die Adressen und Telefonnummern der Hauptmitarbeiter der Fahndungsgruppe aufgelistet hatte. Er ging zum Telefon, das an der Wand hing, wählte Dr. John Lockes Privatnummer und hoffte, daß der Psychologe in den letzten vier Jahren seine Telefonnummer nicht geändert hatte.
Nach dem fünften Läuten nahm Locke den Hörer ab.
»Entschuldigen Sie, Dr. Locke, ich weiß, es ist schon spät. Hier spricht Harry Bosch.«
»Harry, wie geht es Ihnen? Es tut mir leid, daß wir heute nicht miteinander sprechen konnten. Die Situation ist sicher nicht sehr angenehm für Sie, aber …«
»Ja, Doktor. Hören Sie zu. Ich habe etwas entdeckt. Es hat mit dem Puppenmacher zu tun. Es gibt ein paar Sachen, die ich mit Ihnen ansehen und besprechen will. Wäre es
Weitere Kostenlose Bücher